1077 - Die Voodoo-Frau
den Schuhen gekippt, denn dort oben hielt sich eine alte Bekannte auf.
Es war Assunga, die Vampir-Hexe!
***
Mit allen möglichen Personen hatten wir gerechnet, nicht aber mit ihr, denn sie gehörte nicht eben zu unseren Freunden. Assunga stand auf der anderen Seite und zählte quasi zu unseren Todfeinden.
Zudem war sie eine Vertraute eines gewissen Will Mallmann, auch bekannt unter dem Namen Dracula II.
Sie hielt sich auf der Treppe auf wie eine Königin, die kurz davor steht, zu ihrem Volk zu sprechen.
Das Licht unserer Leuchten irritierte sie nicht. So wie sie sah jemand aus, der sich all seiner Chancen bewußt ist.
Das Gesicht blieb nicht starr. Assunga lächelte leicht. Sie weidete sich an unserer Überraschung, und sie hatte sich seit unserer letzten Begegnung nicht verändert.
Sie war Frau und Hexe zugleich. Keine unbedingte Schönheit, aber schon interessant, und sie wirkte auf manche Menschen auch faszinierend, denn sie schaffte es immer wieder, diese in ihren Bann zu ziehen. Assungas Haarfarbe schimmerte in einem Braunrot. Das Licht unserer Lampen hinterließ dort schimmernde Reflexe. Das Haar umwallte nicht mehr wellig und halblang ihren Kopf, diesmal hatte sie es glatt an den Kopf und auch nach hinten gekämmt, wie jemand, der unbedingt modern wirken will. Das war bei ihr durchaus möglich, denn sie war so etwas wie ein Chamäleon. Sie konnte sich verwandeln. Sie konnte lächeln, sie konnte charmant sein, andere überzeugen, und so war es ihr auch immer wieder gelungen, an die Opfer heranzukommen. Sie stand auf Mallmanns Seite und trug den Namen Vampir-Hexe zu Recht. Sie lebte in seiner Welt, wie jemand, der das Blut anderer trank, und sie hatte sich oft in Mallmanns Vampirwelt zurückgezogen, in der die bleichen, blutleeren Opfer der beiden dahinvegetierten.
Alles an ihr war ungewöhnlich, aber es wurde von etwas übertroffen.
Das war der Mantel!
Assungas Mantel, der als Umhang ihre Gestalt umgab. Der etwas Besonderes war, denn dank dieses Mantels konnte sie schlagartig verschwinden. Sie brauchte ihn nur aufzuklappen und ihn rasch wieder zu verschließen, dann war sie weg. Aufgelöst, einfach nicht mehr - da und deshalb nicht zu fassen. Das hatten wir schon oft genug erleben müssen und hatten immer wieder das Nachsehen gehabt. Denn oft waren wir dicht davor gewesen, sie zu fassen, aber sie hatte es immer wieder verstanden, sich zurückzuziehen.
Der Mantel war außen dunkel, innen gelb, denn dort bestand er aus Menschenhaut. Darüber nachzudenken hatte ich mir abgewöhnt, denn ich wunderte mich darüber, daß eine Person wie Assunga freiwillig bei uns erschien. Uns sogar an diesen Platz bestellt hatte, und das bestimmt nicht ohne Grund.
Die Vampir-Hexe selbst sprach nicht. Sie schien ihren Auftritt zu genießen und wartete ab, bis wir uns von der Überraschung erholt hatten.
»Ich träume doch nicht - oder?« flüsterte Suko mir zu.
»Nein. Und wenn, dann erleben wir den gleichen Traum.«
»Das ist eine gute Chance für uns - oder?«
Seine Gedanken waren klar. Einfach versuchen, sie aus dem Weg zu räumen, doch so leicht konnten wir es uns nicht machen. Außerdem war sie bestimmt nicht hier erschienen, um uns an den Kragen zu gehen. Sie wollte uns bestimmt nicht töten. Hinter ihrem Erscheinen stand etwas anderes.
Aber was? War sie möglicherweise in Schwierigkeiten geraten und suchte jetzt unsere Hilfe?
»Seid ihr fertig?« fragte sie.
»Womit?«
Sie nickte Suko zu. »Mit eurer Überraschung. Denn daß ich hier erscheinen könnte, damit habt ihr nicht gerechnet.«
»Stimmt.«
»Was willst du?« erkundigte ich mich.
Der Klang meiner Stimme schien ihr nicht gefallen zu haben. »Ich weiß, auf welchen Seiten wir beide stehen, John Sinclair. Aber das solltest du zunächst mal vergessen. Laß die alte Feindschaft ruhen und konzentriere dich auf mich.«
»Das tue ich schon die ganze Zeit.«
Sie verschränkte die Arme vor der Brust und hakte die Hände in den Stoff ihres Mantels. »Es gibt Momente, da ist es besser, wenn man zusammenarbeitet. Und ich denke, daß so ein Fall eingetreten ist.«
»Den sehe ich noch nicht«, hielt ich ihr entgegen.
»Deshalb bin ich gekommen.«
»Du willst uns also aufklären.«
»Nicht nur das. Ich möchte euch sogar raten, mir zu vertrauen, auch wenn es euch schwerfällt.«
Ich wollte lachen und ihr zustimmen, ließ es allerdings bleiben und wartete schweigend ab, was sie weiterhin vorhatte. Mit ihrem Auftritt war ihr Besuch nicht beendet. Sie tat
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