1077 - Die Voodoo-Frau
unsichtbare Grenze, die nur zu spüren, aber niemals zu sehen war.
Ihr Einfluß…
Mr. Jobb lächelte, als er daran dachte. Er war mit sich und der Lage sehr zufrieden. Wer sich auf sie verließ, der war nicht verlassen. Und er bewegte seine breiten Lippen nur sehr langsam, als er flüsternd ihren Namen aussprach.
»Coco…«
Ja, so hieß sie. Einfach nur Coco. Sicherlich besaß sie auch einen Nachnamen, doch wen kümmerte das? Ihn am allerwenigsten. Er hatte sie nur als Coco kennen- und liebengelernt. Es war eine besondere Liebe, die ihn mit ihr verband. Eine Liebe, wie man sie kaum mit Worten erklären konnte, sie war eben anders. Platonisch, wunderbar, so fern und gleichzeitig doch zum Greifen nah.
Mr. Jobb tat alles, was Coco von ihm verlangte. Er tötete auch. Ein schlechtes Gewissen hatte er dabei nicht. Es mußte einfach sein, denn ihr sollte es gutgehen. Wenn das alles stimmte, dann ging es auch ihm gut. So wie jetzt, denn er fühlte sich sehr wohl. Die Augen hielt er geschlossen, den Kopf hatte er zurückgelegt, und das Lächeln spannte seine Lippen.
Es machte ihm überhaupt nichts aus, daß er hier allein im Keller saß. Er wußte seine Königin in seiner Nähe. Er brauchte nur den Stein anzuheben, um sie sehen zu können. Davor allerdings hütete Mr. Jobb sich. Er hatte nicht das Recht, sich in ihre Angelegenheiten zu mischen. Sie war es, die hier befahl. Er blickte auf seine Hände. Die Finger waren lang und ungemein kräftig. Kurze, viereckige Nägel fielen an den Fingerspitzen auf. Diese wiederum glichen stumpfen Waffen, und er wußte sehr genau, daß er sie noch einsetzen würde, wie er es schon getan hatte. Um menschliche Hindernisse aus dem Weg zu räumen, reichten hin und wieder auch seine Hände aus. Dieses Wissen tat ihm gut.
Plötzlich zuckte er zusammen. Trotz seiner Überlegungen war Mr. Jobb auf eine gewisse Weise hellwach, und er fühlte sich plötzlich durch etwas gestört.
Im ersten Moment wußte er nicht, was los war. Er war durcheinander. Bewegte den Kopf, um in verschiedene Richtungen zu schauen, ob sich dort etwas tat.
Nein, es hatte sich nichts verändert. Die Finsternis blieb. Er hörte auch keine Geräusche, fremde Schritte von einem Eindringling. Das mußte etwas anderes gewesen sein.
Auf einmal wußte er Bescheid. Es fiel ihm wie Schuppen von den Augen. Er holte saugend Luft und dachte daran, daß seine Veränderung doch mit Geräuschen zu tun hatte.
Er hörte sie nicht mehr.
Kein Schmatzen, kein leises und zufrieden klingendes Schlürfen. Es war alles fertig.
Nein, sie war fertig. Coco hatte ihr Mahl beendet. Sie war zufrieden. Sie würde sich möglicherweise schlafen legen, wie sie es schon öfter getan hatte. Oder alles würde sich in der heutigen Nacht radikal verändern.
Darauf hoffte er.
Mr. Jobb kannte nur ein Blickziel. Er starrte den Stein an, unter dem seine geliebte Herrin begraben lag. Sie hätte tot sein müssen, aber sie lebte, denn jemand wie sie war nicht mehr zu töten. Coco hatte alles hinter sich.
Wieder hörte er das Kratzen. Nicht unbedingt laut; es klang eher vorsichtig. Seine Haltung straffte sich noch mehr. Er blieb aber sitzen und starrte auf ein Ziel.
Es war der Stein.
Noch lag er fest, aber der Druck aus der Tiefe verstärkte sich und schaffte es dann, ihn aus dem Verbund mit den anderen zu lösen.
Er schwang in die Höhe…
Zunächst nur langsam. Derjenige, der unten drückte, mußte wahnsinnige Mühe haben, ihn überhaupt in die Höhe zu bekommen. Aber die Person schaffte es. Stück für Stück glitt der Stein höher.
Seine dicke Seitenkante gab die erste Öffnung frei, die nur mehr spaltbreit war, was sich allerdings schnell änderte, als der Stein wieder so etwas wie ein Dach bildete.
Mr. Jobb hielt den Atem an. Sein Gesicht wirkte wie versteinert. Die Freude über das Geschehen stand darin festgemeißelt. Seine Augen hatten einen wilden Schimmer bekommen, denn er wußte, daß es soweit war. Coco würde kommen und ihr grabähnliches Zuhause unter dem eigentlichen Keller aufgeben.
Noch war sie nicht zu sehen, aber der Stein bewegte sich weiter. Sein Winkel zum Boden veränderte sich Stück für Stück, und schon bald hatte sich einer von 90 Grad gebildet.
Jetzt hatte sie freie Bahn, denn der Stein stand auf der anderen Seite der Öffnung schmal und trotzdem lang.
Aus der Dunkelheit unter dem Keller wehte ein anderer Geruch hoch. Diesmal roch es nach dem Blut eines Menschen, und der einsame Zuschauer wußte auch, wem das Blut
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