1079 - Dämonen-Domina
dem jungen Mädchen die Angst zu nehmen.
»Schau mich an, Kleines!«
Mishiko hob den Blick.
»Es geht dir nicht gut - oder?«
»Nein, ich habe Angst.«
»Das kann ich verstehen, meine Kleine. Aber du brauchst keine Angst zu haben. Es ist alles so gekommen, wie ich es mir vorgestellt habe. Du stehst von nun an unter meinem Schutz. Ich habe dich nicht umsonst ausgewählt und dich mit in dieses fremde Land genommen, in dem wir ungestört sein können.«
Mishiko hatte die Worte gehört, ihren Sinn jedoch nicht verstanden. Das war ihr einfach alles zu fremd, und sie schüttelte den Kopf, als wollte sie etwas abwehren.
»Es wird eine Weile dauern, bis du dich zurechtgefunden hast. Aber es wird klappen. Denke dabei immer an mich. So stark wie ich sollst auch du werden.«
Mishiko überlegte nur kurz. »Wie… wie meinst du das denn?«
Suniko lachte. »Ich bin inzwischen sehr alt geworden, meine Kleine, und ich weiß nicht, wie lange ich noch zu leben habe. Alles kann sehr, sehr schnell gehen. Vielleicht sind es noch Jahre, vielleicht auch nur Wochen, das kann niemand so recht sagen. Aber ich möchte nicht ganz vergessen sein, denn ich will in dir weiterhin leben. Du mußt meine Aufgabe übernehmen. Du wirst meinen Geist weitertragen«, flüsterte sie. »Später allerdings, viel später.«
»Ich verstehe das nicht…«
»Keine Sorge, das brauchst du nicht. Es ist nicht wichtig. Du wirst später alles begreifen. Ich bin mitgenommen worden, weil ich junge Frauen ausbilden soll. Man brauchte meine Erfahrung. Man wollte Geishas haben. Es gibt mächtige Menschen, die eben ein Stück Heimat auch in der Fremde wollen. Aber anders als früher. Aus den alten Traditionen kann man viel lernen, nur sollen die neuen Geishas nichts anderes sein als Huren. Ein paar Regeln hätten ihnen schon beigebracht werden müssen, das steht fest, doch längst nicht alles. Unsere Wege sind zu verschieden. Die Traditionen sollen auf den Kopf gestellt werden, doch da mache ich nicht mit. Wir gehen unseren eigenen Weg…«
Mishiko war verwirrt. Sie hatte in den letzten Minuten einfach zu viel gehört, um es für sich einordnen zu können. Außerdem war sie noch sehr jung. Sie wollte sich auch nicht verkaufen, noch nicht, erst recht nicht für die Yakuza.
»Ich kann das alles nicht begreifen, Suniko.«
»Keine Sorge, Kind, wir haben Zeit. Ich werde dich vieles lehren in den kommenden Jahren. Da ich dich als meine Nachfolgerin ausersehen habe, wirst du all das von mir übernehmen, das mir zu eigen ist. Kannst du mir folgen?«
Das junge Mädchen dachte nach. Es erinnerte sich daran, was auf dem Lastwagen passiert war. Dort hatte Suniko bewiesen, wozu sie fähig war. Unter ihren Händen waren zwei Männer regelrecht verglüht, und noch jetzt spürte Mishiko den Schauder.
»Wer bist du wirklich?«
Suniko lächelte nur und drückte Mishiko noch enger gegen die Hauswand, weil ein Auto über die Straße fuhr. Die Scheinwerfer erwischten auch einen Teil des Gehsteigs, und keine der Frauen wollte entdeckt werden. Der Wagen fuhr vorbei, und Mishiko erhielt auch eine Antwort. Aber keine, die sie so richtig begreifen konnte.
»Ich bin ein Mensch und zugleich etwas anderes, denn in mir steckt die Macht und die Kraft der anderen Seite. Die Götter können oft sehr nachsichtig reit Menschen sein, mußt du wissen.«
»Welche Götter denn?«
Suniko zuckte die Achseln. »Es gibt einen Gott, der Kagu-Zuchi heißt.« Sie hatte den Namen voller Ehrfurcht ausgesprochen. »Er ist gerade für uns ein wichtiger Gott, denn er ist als Beschützer der Geishas bekannt. Du kannst dich auf ihn verlassen, auf ihn und auf seine Kräfte des Feuers. Ich habe sein Erbe gefunden, ich habe es übernommen. Ich kenne sein Bildnis, das ich immer bei mir trage. Ich weiß genau, wie Kagu-Zuchi aussieht.«
»Wie denn?«
»Er ist die Sonne. Er ist das Feuer, das alles verbrennt, was ihm feindlich gesonnen ist.«
»Wie auch die Männer, nicht?«
»Richtig, Mishiko.«
Das junge Mädchen begann zu begreifen. Es bewegte seinen Mund. Es suchte nach Worten. Es räusperte sich, wollte etwas sagen, schloß aber die- Augen und schüttelte den Kopf.
»Keine Sorge, Mishiko. Wenn du älter wirst, werde ich dich in die Geheimnisse des Beschützers einweihen. Es bleibt dabei, daß ich dich zu meiner Nachfolgerin auserkoren habe. Bist du nun zufrieden?«
»Das… das… weiß ich nicht«, flüsterte Mishiko. »Ich kann nicht sagen, ob ich zufrieden bin. Ich hoffe nur, daß wir beide am
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