1079 - Station der Freien
immer er konnte.
„Was ist los mit dir?" fragte eine quäkende Stimme von der Tür her.
Icho Tolot hob den Kopf.
Am Eingang des Raumes stand der Jauk, der ihm den Weg gewiesen hatte. Die Fahne hüllte seinen röhrenförmigen Körper ein.
„Mein Freund ist tot", antwortete der Haluter.
„Und du trauerst? Das Leben ist ein ständiges Kommen und Gehen. Niemand kann sich dieser Tatsache entziehen. Der eine geht früher, der andere später, aber für alle gilt das gleiche kosmische Gesetz. Dein Freund ist jetzt in einer anderen Dimension, vielleicht in einem anderen Kosmos. Wenn du gläubig bist wie ich, dann mußt du dir sagen, daß er auch jetzt noch lebt. Und wenn du gläubig bist, dann solltest du nicht trauern, denn dann ist deine Trauer nichts weiter als Selbstmitleid über den Verlust, den du erlitten hast."
„Vielleicht hast du recht", erwiderte der Haluter. „Dennoch - es schmerzt."
„Dann sieh dich vor", warnte das amphibische Wesen, das sowohl durch Lungen als auch durch Kiemen atmen konnte. „Du befindest dich in einem gefährlich labilen Zustand. Wenn du jetzt vom mentalen Schlag getroffen wirst, ist es aus mit dir. Dann kannst du dich gleich zu deinem Freund legen. Vielen ist es so ergangen, glaube es mir.
Der mentale Schlag hat sie gerade in einem Zustand erwischt, in dem sie ihm psychisch nicht gewachsen waren."
Icho Tolot richtete sich keuchend auf.
Er erkannte, daß der Jauk die Wahrheit sagte.
Er stand am Abgrund und hatte es noch nicht einmal bemerkt.
Im gleichen Augenblick, als er sich dieser Tatsache bewußt wurde, spürte er, daß etwas auf ihn zu kam, das eine entscheidende Wende in der Entwicklung seiner Persönlichkeit einleiten würde.
2.
Ein schemenhaftes Wesen erschien wie aus dem Nichts heraus neben dem Jauk an der Tür. Icho Tolot sah es nur, weil es wie ein Schatten an der Wand wirkte. Es verharrte einige Sekunden auf der Stelle, während der Haluter und der in seine Fahne gehüllte Jauk schwiegen. Dann glitt es auf Icho Tolot zu, umkreiste ihn, wobei es mal zur einen, mal zur anderen Seite auswich, und blieb danach einige Sekunden lang direkt vor ihm stehen.
Der dunkelhäutige Riese versuchte, es mit seinen Blicken zu fixieren, doch es war auf diese Weise ebenso wenig zu fassen wie mit den Händen.
„Was ist das?" fragte er. „Ihr müßt es doch wissen, wenn diese Wesen schon so lange bei euch erscheinen."
Der Jauk antwortete nicht.
Icho Tolot erkannte, daß sich etwas veränderte.
Eine unbestimmbare Kraft versetzte ihn - wie er meinte - an einen anderen Ort, ohne daß er hätte sagen können, was oder wie dieser Ort war. Er empfand ihn einesteils als vollkommene Dunkelheit. Andererseits aber spürte er die Nähe von irgend etwas Mentalem.
Es war, als hätten sich jene schemenhaften Wesen plötzlich millionenfach vermehrt.
Er glaubte, in einem Meer von unübersehbarer Ausdehnung zu stehen, das aus jenen ungreifbaren Schemen bestand.
Er erkannte, daß ihn eine fremde Macht für den mentalen Schlag vorbereitete, und im gleichen Augenblick wurde ihm bewußt, welches Schicksal Bruke Tosen und der Phygo Ahrrhed erlitten hatten. Beide waren einige Zeit nach dem Schock gestorben.
Ahrrhed war vom rotierenden Nichts erfaßt und hinweggerissen worden. Bruke Tosen war dem Wahnsinn verfallen und durch ihn in den Tod getrieben worden.
Mit aller Macht stemmte sich der Aktivatorträger gegen den vermeintlichen geistigen Einfluß, der mit tödlicher Vernichtung verbunden zu sein schien.
Ich will nicht sterben! schrie es in ihm, während er gleichzeitig heftigste Vorwürfe gegen sich selbst erhob, weil er seinen anfänglichen Kampf gegen Seth-Apophis nicht in jeder Sekunde fortgesetzt hatte, in der sich die Supermacht von ihm zurückgezogen hatte.
Zu Anfang hatte er getobt. Wie ein Berserker war er durch Terrania-City gerast und hatte dabei unersetzliche Kunstwerke verwüstet. Doch er hatte sich wenigstens gegen die Superintelligenz erhoben. Danach aber war sein Widerstand immer schwächer geworden. Nur hin und wieder hatte er sich aufgelehnt und nach Freiheit gesucht. Die Resignation vor der übermächtig erscheinenden Gewalt war immer größer geworden, bis er schließlich selbst in den Phasen relativer Freiheit ein williger Sklave von Seth-Apophis geworden war.
Und jetzt war es zu spät.
Er war nicht mehr in der Lage, ausreichend zu kontern. Allzu sehr hatte er sich von der Superintelligenz einfangen lassen, so daß ihm nun keine andere Wahl blieb, als sich
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