1082 - Wer im Höllenfeuer schmort
Er hat die Akten des Ausbrechers. Vielleicht finden wir dort eine Spur.«
»Und was ist mit den Kollegen?« fragte Sheila. »Ich denke, daß auch sie sich auf die Suche gemacht haben. Oder nicht?«
»Es wird sich herausstellen, ob die Polizei eingeschaltet worden ist. Normalerweise müßte das so sein. Kann sein, daß wir Glück haben und eine Spur schon offenliegt. Laß uns zunächst mal nach Luton fahren.«
***
Das Wetter war noch recht gut. Zwar nicht mehr so warm wie im Altweibersommer, und es schien auch keine Sonne, aber Hardy Blaine hatte keine Lust, sich in seinem kleinen Zimmer in der Pension zu verkriechen. Da würde ihm die Decke auf den Kopf fallen. Er wollte unter Menschen sein, auch wenn er sie nicht kannte.
Er hatte sich in einer Gegend eingemietet, in der es leicht war, mit anderen in Kontakt zu treten, denn um die Pension herum gruppierte sich eine Kneipenszene, die für jeden etwas bot. Auch für einen Mann wie Hardy Blaine.
Er hatte die freie Auswahl. Äußerlich gelassen schlenderte er durch die Gassen mit dem holprigen Pflaster. Wegen des noch warmen Wetters standen vor den Kneipen Tische mit den Stühlen, und nicht wenige davon waren besetzt. Es schien, als wollten die Leute noch einmal das warme Wetter auskosten. Letzte Chance, für ein Glas im Freien, auch wenn sich der Himmel bedeckt zeigte.
Blaine fand einen freien Tisch vor einem Lokal, das einen italienischen Namen hatte. Hier konnte man vor allem Pizza essen, doch Hunger hatte er nicht. Er bestellte sich einen offenen Rotwein und schaute durch eine Gasse zwischen zwei Häusern bis hin zu einem Nebenarm der Themse, wo Schiffe angedockt hatten, die be- oder entladen wurden. Er nahm den leicht salzigen Geruch wahr.
Er schaute dem Flug der Möwen nach, die elegant die Luft durchkreisten und jeden Wind dabei ausnutzten, um sich tragen zu lassen.
Um ihn herum saßen meist jüngere Leute, die ihre Pizzen aßen. Für den älteren Mann hatten sie keinen Blick, und umgekehrt war es ebenso. Hardy Blaine trank seinen Wein. Er war nicht unbedingt ein Kenner, aber der Rotwein schmeckte ihm.
In dieser Umgebung und beim Glas Wein hätte er sich leicht entspannen können, doch das war nicht möglich. Den inneren Druck konnte er einfach nicht wegdiskutieren. Er lag wie ein schweres Metall in seinem Blut und beeinträchtigte sogar die Atmung.
Es gab auch einen anderen Ausdruck für dieses Gefühl - Angst!
Ja, er hatte Angst. Zum erstenmal in seinem Leben richtige Angst. Nicht einmal in seinem Berufsleben hatte er so einen Druck verspürt. Die Furcht war einfach da und verschwand nicht.
Angst vor der Zukunft. Und das in seinem Alter mit über Siebzig. Aber auch Angst vor der Rache einer Person, die diesen Namen nicht verdiente, eher eine Gestalt, die wie eine Marionette an Fäden hing und dabei von den Händen des Satans bewegt wurde.
Er war zwar froh, mit John Sinclair und Bill Conolly gesprochen zu haben, doch die große Erleichterung allerdings wollte sich nicht einstellen. Da gab es überhaupt keinen Grund. Einer wie Wild Dean Barton war allen oder fast allen Menschen überlegen, davon war Hardy Blaine überzeugt.
Andere Menschen schlenderten vorbei und auch hinein in die einbrechende Dämmerung. London rüstete sich zur Nacht und nahm allmählich Abschied vom Tag.
Hardy Blaine wußte noch nicht, wie und wo er die nächsten Stunden verbringen sollte. Immer wieder kam ihm seine Pension in den Sinn. Je näher er allerdings darüber nachdachte, um so weniger mochte er sich mit dem Gedanken anfreunden. Es blieb dabei. Er würde sie erst betreten, wenn er müde war.
In seinem Haus und allein legte er sich oft genug früh schlafen. Hier war das nicht möglich, weil ihn die Ereignisse einfach zu stark aufgewühlt hatten. Auch wenn er todmüde war, Schlaf würde er kaum finden und sich in der Nacht von einer Seite auf die andere wälzen, wie es auch in den ersten Wochen nach dem Tod seiner Frau gewesen war.
Er griff zum Glas, trank, schaute nach vorn und sah die Menschen, nahm sie jedoch kaum wahr.
Dafür die Einmündung der Gasse.
Und dort stand jemand!
Fast wäre ihm das Glas aus der Hand gerutscht, so stark hatte ihn die Überraschung getroffen. Im letzten Augenblick hielt er das Glas fest, auch wenn Wein überschwappte und seine Hand benetzte.
Dort stand er.
Wild Dean Barton!
Hardy Blaine stöhnte auf. Er stellte das Glas auf den Tisch und beugte sich nach vorn wie jemand, der unter plötzlichen Magenkrämpfen zu leiden hatte.
Das
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