1087 - Wolke im All
ein Mann, der von allem etwas verstand und ideal dazu geeignet war, Wissenschaftler aller Fachrichtungen unter einen Hut zu bringen. Waylon Javier hatte sich oft gefragt, wie dieser Mann das fertigbrachte. Jetzt aber sah er Les als einen mummelnden Hamster, die Backentaschen voller kleiner Körner Wissens, die es nur in der richtigen Reihenfolge hervorzubringen galt. Er wußte, daß dieses Bild schief war, aber es stand vor seinem geistigen Auge und ließ sich nicht verdrängen. Les redete immer noch, aber Javier sah sich außerstande, ihm zuzuhören. Statt dessen sah er, wie der Multiwissenschaftler verblaßte und einer Anzahl von Computerelementen Platz machte. Les Zeron verwandelte sich vor den Augen des Kommandanten in ein Terminal mit vielen Sensorpunkten, die man nur zu berühren brauchte, um alle gewünschten Antworten zu erhalten - sofern sie sich aus den einprogrammierten Daten ermitteln ließen.
„... daß du mir nicht zuhörst!" drang Les Zerons konsternierte Stimme an Waylons Ohr, und der Kommandant schrak zusammen und verscheuchte die ebenso seltsame, wie beunruhigende Vision. Er wußte, daß er sich merkwürdig benahm, und er gehörte durchaus nicht zu den Leuten, die dauernd Gespenster sahen und sich ständig Dinge einbildeten, die es nicht gab. Sonst wäre er wohl auch nicht zum Kommandanten dieses riesigen Raumschiffs berufen worden. Dieser Gedanke erinnerte ihn an die Tatsache, daß er eine Verantwortung zu tragen hatte. Er war für das Wohlergehen von rund zwölftausend Menschen verantwortlich. Wie kam er also dazu, Träumen nachzuhängen und Les Zeron als lebenden Computer zu sehen?
„Entschuldige bitte", sagte Javier mühsam. „Ich war eben nicht bei der Sache. Ich hatte einen sehr seltsamen Traum und brauche offenbar Zeit, um mich davon zu lösen.
Was sagtest du gerade?"
Les Zeron kniff die Augen zusammen.
„Einen Traum?" fragte er mißtrauisch. „Kannst du dich an Einzelheiten erinnern?"
„Nein", erwiderte Javier knapp, denn das Thema war ihm peinlich.
„Schade", murmelte Zeron. „Wenn ich den Berichten glauben darf, die sich allmählich bei mir ansammeln, hatten Hunderte von Leuten heute nacht einen seltsamen Traum - aber keiner von ihnen kann sich deutlich daran erinnern."
Das wirkte auf Javier wie eine kalte Dusche.
„Hunderte?" fragte er fassungslos.
„Wahrscheinlich sind es noch mehr", behauptete Zeron nüchtern. „Einige suchten die Psychologen auf, andere holten sich Tabletten - die Zahl derer, die es einfach mit sich selbst auszumachen versuchen, dürfte ziemlich groß sein."
„Was kann das bedeuten?"
Zeron hob die Schultern.
„Wir sind zu lange unterwegs", vermutete er.
„Es sind lächerliche fünf Monate vergangen, seit wir Khrat verlassen haben", wehrte Javier ärgerlich ab.
„Das mag objektiv eine kurze Zeitspanne sein", stimmte Les Zeron zu. „Aber du darfst nicht vergessen, daß wir seither jede Verbindung zur Heimat verloren haben."
„Was ist daran so Besonderes? Es hat Schiffe gegeben, die jahrzehntelang ohne Kontakte blieben ..."
„Ich weiß", fiel Zeron dem Kommandanten ins Wort. „Aber die Besatzungen dieser Raumschiffe mußten von anderen Voraussetzungen ausgehen. Sie waren darauf angewiesen, Funkverbindungen herzustellen, und selbst der Hyperfunk hat seine Grenzen.
Es war also ganz natürlich, daß der Kontakt irgendwann abriß. Wir dagegen ..."
Er stutzte, als Javier sich plötzlich vorbeugte.
„Fängst du jetzt auch schon an?" fragte der Kommandant leise.
Les Zeron betrachtete den Mann mit den Kirlian-Händen nachdenklich, dann schüttelte er lächelnd den Kopf.
„Du weißt, daß du dich irrst", sagte er ruhig. „Gut und schön - Perry Rhodan hat versprochen, ab und zu mit Hilfe des ,Auges’ hier bei uns zu erscheinen und sich über unsere Fortschritte zu informieren, und er hat dieses Versprechen nicht gehalten. Das ist eine beunruhigende Tatsache - du wirst das nicht leugnen. Aber ich sehe diese Dinge anders als diese Hysteriker, die von dir verlangen, daß du Rhodans Auftrag vergißt. Ich will nicht in die Milchstraße zurückkehren. Wir haben hier genug Rätsel zu lösen."
„Wenn es nur so wäre", seufzte Javier. „Wo bleiben die Rätsel, die wir suchen?"
„Du glaubst, daß die anderen aufhören werden, sich Sorgen zu machen, wenn ihre Phantasie anderweitig Beschäftigung findet?"
Javier nickte.
„Wir sind auf der Suche nach Spuren, die uns mehr über die Ritter der Tiefe und die Porleyter verraten", sagte er leise.
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