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1087 - Wolke im All

Titel: 1087 - Wolke im All Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Javier fragte sich trotzdem, wie Oliver an diesen Mann geraten war, und er nahm sich vor, einige Nachforschungen anzustellen.
    „Was ist sonst vorbei?" fragte er mechanisch.
    Oliver stand in der Nähe der Tür und seufzte. Äußerlich bot er das perfekte Bild eines Jungen, der auf dem Weg zu einer hochinteressanten Unternehmung ist und durch unvernünftige Erwachsene aufgehalten wird. Er spielte diese Rolle so gut, daß Javier fast darauf hereingefallen wäre.
    „Es ist nichts Wichtiges", erklärte Oliver scheinbar geduldig. „Nur eine Pflanze."
    „Warum hast du es dann so eilig?"
    „Weil die Pflanze heute aufblühen soll. Sie blüht nur wenige Stunden. Ich möchte sie sehen."
    „Das scheint mir eine interessante Pflanze zu sein", vermutete Javier mit einem gezwungenen Lächeln. „Was hältst du davon, wenn wir zusammen hingehen?"
    Es gehörte wenig Menschenkenntnis dazu, um zu erkennen, daß Oliver nahe daran war, in Panik zu verfallen, und Javier hatte Mühe, sich zu beherrschen. Alles in ihm drängte ihn, zu seinem Sohn zu gehen, ihn in die Arme zu schließen und ihn zu beruhigen. Als dieser Impuls allzu mächtig wurde und Javier dazu zwang, aufzustehen und auf das Kind zuzugehen, zuckte der Junge zusammen, als sähe er eine giftige Schlange vor sich.
    Enttäuscht und verwirrt blieb der Kommandant stehen.
    „Schon gut", murmelte er ratlos. „Geh zu dieser Pflanze."
    Oliver verdrückte sich eilig, und Javier kämpfte tapfer gegen die Schuldgefühle an, die ihn befielen.
    Er hätte den Jungen zurückhalten müssen. Er wußte, daß es wichtig gewesen wäre, zu erfahren, wovor Oliver sich fürchtete. Er hätte den Jungen zwingen müssen, ihm die Wahrheit zu sagen. Wenn er nur nahe genug an ihn herangekommen wäre, um ihn mit seinen blauschimmernden Händen zu berühren ...
    Javier blickte auf diese Hände hinab, als wären sie ihm fremd und gehörten nicht zu seinem Körper. Zum erstenmal seit vielen Jahren kam es ihm vor, als betrachte er die Hände eines Geistes. Er sah nicht die Finger, sondern nur das blaue Leuchten, und es kam ihm vor, als züngelten Flammen daraus hervor, beunruhigende, drohende Flammen.
    Er hob die Hände bis dicht vor die Augen und starrte sie an.
    Sie waren nicht anders als sonst: transparent und leuchtend. Es gab genug Kirlian-Fotografien von solchen Händen. Es gab aber auch Kirlian-Filme, und sie offenbarten das, was Javier an seinen Händen mitunter vermißte: Das lebendige Wabern und Flackern, die scheinbar willkürlichen Farbwechsel, die hervorschießenden Flammen.
    Das energetische Muster dessen, was die belebte Materie von der unbelebten unterscheidet.
    Er empfand plötzlich unendliche Trauer und ließ die Hände sinken. Wie tote Gegenstände hingen sie herab. Er konnte den Blick nicht von ihnen wenden. Noch während er hinstarrte, nahm er erneut die Flammen wahr, und die Angst zuckte in ihm hoch.
    Im Bruchteil einer Sekunde erkannte er, daß es das gewesen war, was er gesehen hatte, gesehen in seinem Traum, der ihn nicht losließ: Ein blaues Wabern, das sich bewegte, und das von Funken erfüllt war. Es war ein Bild voller Leben, aber es machte Waylon Javier nicht froh. Es war ein bedrohliches Bild, erfüllt von Gefahren, die kein lebendes Wesen der ihm bekannten Art sich vorzustellen vermochte. Gleichzeitig war es aber auch ein verlockendes Bild, voller Versprechungen, die es nicht halten konnte.
    Oder doch?
    Javier blickte wie in Trance auf seine Hände hinab, bis der Interkom leise zu summen begann.
    Er schrak hoch und brauchte viele Sekunden, um sich in dem so vertrauten Raum zurechtzufinden. Wie ein Betrunkener taumelte er auf das Gerät zu, ertastete blind den richtigen Sensorpunkt und stierte verständnislos auf einen Bildschirm, der ein seltsames Gesicht zeigte. Erst ganz allmählich drang die Erkenntnis bis in sein Bewußtsein vor, daß er Les Zeron sah, den wissenschaftlichen Koordinator der BASIS.
    Les redete und redete, und Javier verstand kein Wort. Er beobachtete fasziniert dieses merkwürdige Gesicht. Es erschien ihm wie eine Karikatur. Ein anderes Bild schob sich vor seine Augen, ein Bild, das Oliver gemalt hatte. Es zeigte Les Zeron, und darunter stand in ungelenkten Buchstaben der Spitznahme „Backenhörnchen". Er hatte schon früher gewußt, daß dieser Spitzname treffend war - Les Zeron hatte bezaubernde Hängebacken -, aber erst jetzt wurde ihm die tiefere Bedeutung klar.
    Les sammelte Fakten, wie ein Hamster, der einen Vorrat anlegt. Backenhörnchen war

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