1088 - Killer in der Nacht
mit der Schulter dagegen. Vor ihm lag ein Flur. Er kannte ihn nicht, aber er hielt den Vergleich zu diesem Treppenhaus nicht aus. Wer hier lebte, der mußte einiges für seine Wohnung hinblättern, und deshalb sah das Haus auch entsprechend gepflegt aus.
Der Fußboden vor ihm war mit Laminat belegt. In einem sanften Grau, auf dem sich das Licht der wenigen Lampen spiegelte.
Es war sein erster Besuch bei der Frau. Sie hatte ihm zwar die Etage gesagt, in der er ihre Wohnung finden konnte, doch weitere Einzelheiten waren ihm unbekannt. Er wußte nicht, an welcher Tür er klingeln oder klopfen sollte.
Nur der Vorname war ihm bekannt. Den Nachnamen hatte er vergessen.
Die einzelnen Wohnungstüren lagen sich etwas versetzt gegenüber. Er konnte unter den zwei Reihen wählen, aber das war alles uninteressant geworden.
Bereits nach dem dritten Schritt hörte er es wieder.
Das Atmen war wieder da!
Und diesmal verdammt nahe. Er hatte den Eindruck, es dicht hinter seinem Nacken zu spüren, aber die Berührung war nicht da.
Dafür sah er etwas anderes.
Rechts von ihm an der Wand und zwischen den Türen malte sich ein Schatten ab. Es war Irrsinn, er konnte es kaum fassen und glaubte an einen Irrtum.
Der Schatten blieb.
Er zitterte leicht, als müßte er sich irgendeinem Wind beugen.
Der Schatten bildete eine Figur. Etwas Schreckliches. Einen Arm, der in die Höhe gehoben worden war. Caspar sah auch die Hand, die als Faust einen bestimmten Gegenstand umschloß.
Ein Messer!
Ein langes, vielleicht auch etwas gekrümmtes Messer, dessen Spitze gegen den Boden wies, sich auf der Wand jedoch so abmalte, als sei es auf seinen Rücken gerichtet.
Als er herumfuhr, sah er nichts. Keinen Schatten an der Wand mehr.
Nur das Atmen war geblieben.
Schwer, hastig, auch wieder keuchend, wie ein finsteres Versprechen des anderen, der nicht zu sehen war und ihm ans Leben wollte.
Dann erwischte es ihn!
Es war der Schmerz in seinem Rücken, der ihn beinahe auffraß. Er kam sich vor wie jemand, der an der Rückseite mit einer scharfen Säure übergossen wurde. Plötzlich bekam er keine Luft mehr, obwohl sein Mund nicht geschlossen war. Aus ihm hervor drangen gurgelnde Geräusche, und dieses Gurgeln stammten von dem, was plötzlich über seine Lippen floß und zu Boden klatschte.
Es war Blut!
Es landete vor ihm auf dem Boden. Es zerplatzte dort. Die Tropfen spritzten auseinander, und Caspar starrte mit leerem Blick darauf. Er konnte einfach nicht begreifen, daß es sich dabei um sein Blut handelte. Jemand anderer schien sich über ihm aufzuhalten und das Blut dort auszuspucken.
Wieder der Schmerz.
Er zuckte zusammen, dabei drehte er sich nach links. Noch konnte er klar sehen, und entdeckte wieder den Schatten an der Wand. Den Arm, die Hand und das Messer.
Die lange Klinge wurde soeben nach oben gezogen. Als er diese Bewegung sah, wußte er, daß die Waffe seinen Körper verlassen hatte. Er bewegte sich nach vorn mit sehr schweren Schritten. Daß er dabei in sein eigenes Blut trat, fiel ihm kaum auf. Es war nur wahnsinnig schwer für ihn, sich auf den Beinen zu halten. Caspar wußte auch, daß er es nicht mehr lange schaffen konnte.
Dann stolperte er.
Im Fallen traf ihn der nächste Stich.
Der war tödlich!
Die Welt um ihn herum schien zu explodieren. Für einen Moment noch spürte er den irrsinnigen Schmerz, dann brach er auf der Stelle zusammen.
Bäuchlings blieb er liegen.
An der Wand zeichnete sich wieder der Schatten ab. Die Hand mit dem Messer. Das Keuchen war ebenfalls zu hören. Noch immer so scharf und wütend, aber es klang ab und verschwand schließlich ganz. Ebenso wie der Schatten, der sich nicht mehr an der Wand aufhielt. Er war plötzlich weg, als wäre er kurzerhand zwischen zwei Türen aufgesaugt worden.
Nichts wies mehr auf den Mörder hin.
Nur ein Toter, dessen Rücken von schrecklichen Stichwunden gezeichnet worden war…
***
Nein, nein - nicht! Nicht, bitte nicht! Laß es sein. O Gott, das ist grauenhaft…
Brenda Lee schrie. Aber in Wirklichkeit schrie sie nicht, denn sie wußte, daß sie nur einen Traumerlebt hatte. Einen dieser schrecklichen Träume, die sie so haßte, gegen die sie aber nicht ankam, weil sie sich immer wiederholten. Nie regelmäßig, aber sie waren da, und was anschließend passierte, machte sie fast wahnsinnig.
Ihr »Flehen« brachte nichts ein. Der Killer war da, und er blieb. Er kannte keine Gnade. Er führte sein Messer, daß es schon eine mörderische Kunst war, und er traf
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