1088 - Killer in der Nacht
würde, wie er es mit dem ihr unbekannten Mann getan hatte.
Der Gedanke daran trieb die Furcht dermaßen heftig in ihr hoch, daß sich die warmen Strahlen in eisige Kälte verwandelten und Brenda frösteln ließen.
Sie stellte die Dusche ab. Rasch drückte sie sich aus der kleinen Kabine und griff zum bereitliegenden Handtuch.
Der Spiegel zeigte einen Beschlag aus Nebel. Sie sah sich nur als Schatten, der sich beim Abtrocknen heftig bewegte.
Wieder kehrte die Angst zurück. Das Bild aus dem Traum konnte sie einfach nicht verscheuchen. Es war etwas Schreckliches geschehen, sie hatte nur die Schatten dieses Mordvorgangs wahrgenommen, doch in ihrer Erinnerung verwandelte sich der Schatten in ein blankes, scharf geschliffenes Messer, das mehrmals in den Rücken des Mannes hineinstieß.
Die Taten, die sie in ihren Träumen erlebt hatte, waren allesamt im Großraum London passiert. Sie hatte es immer in den Zeitungen lesen können. Also schlich ein Killer durch die Millionenstadt an der Themse. Sie wußte es, die Polizei auch, aber die Beamten hatten es nicht geschafft, den Mörder zu fangen.
Er war frei.
Er würde auch weiterhin seine Untaten begehen. Immer und immer wieder. Einer wie er achtete kein menschliches Leben. Er war ein Psychopath und nicht mit normalen Maßstäben zu messen.
Für Brenda Lee war die Welt sowieso nicht mehr normal. Die Entwicklung lief mit einer Rasanz voran, bei der sie nicht mithalten konnte. Alles veränderte sich zu schnell. Manchmal wurde ihr wirr im Kopf. Sie war noch nicht alt, 38, aber den Jugendwahn und all die modernen Strömungen konnte sie nicht mehr begreifen. Selbst die Kinder wurden davon nicht verschont. Brenda arbeitete als Erzieherin und war immer wieder überrascht, mit welchen Aussagen die Kleinen oft in den Kindergarten kamen. Das Fernsehen, die Welt der Erwachsenen, alles war so technisiert worden, und selbst die Kleinsten blieben davon nicht verschont.
In ihrem Schlafzimmer fand sie sich wieder. Den Schrank hatte sie geöffnet. Nackt wie Gott sie geschaffen hatte, stand Brenda davor und dachte darüber nach, welches frische Nachthemd sie sich überstreifen sollte. Es standen mehrere zur Auswahl. Nur konnte sie sich nicht entscheiden. Überhaupt war sie unsicher geworden, ob sie wieder ins Bett gehen sollte oder nicht.
Sie fürchtete sich davor. Die Angst war wie ein mächtiger Druck. Es konnte sein, daß die Träume wiederkehrten, und noch einmal wollte sie das Grauen nicht erleben. Auf der anderen Seite hatte sich ein bestimmter Wahrtraum nie mehr wiederholt. Erst wenn ein neues Opfer gefunden war, träumte sie wieder von diesem unbekannten Killer.
»Warum ich!« flüsterte sie. »Warum ausgerechnet ich? Das verstehe ich nicht…«
Sie hatte auch darüber nachgedacht, ob es eine Verbindung zwischen ihr und den Träumen gab oder sogar dem Mörder. Vorstellen konnte Brenda es sich nicht, denn nie in ihrem Leben hatte sie etwas mit Killern zu tun gehabt.
Als ihr kalt wurde, streifte sie ein Nachthemd über. Versonnen nahm sie auf der Bettkante Platz und trank Wasser aus einer Flasche, die neben dem Bett stand.
Es ging weiter. Alles ging weiter. Ihr Leben und auch die Existenz des Killers. Aber sie wollte, daß er gefangen wurde. Sie nahm es einfach nicht hin, daß er frei herumlief und in den nächsten Tagen wieder so brutal zuschlug.
Wer konnte ihr helfen?
Sie wußte selbst, daß sie nicht in der Lage war, ein Phantom zu fangen. Was würde geschehen, wenn sie sich an die Polizei wandte? Nichts, rein gar nichts. Man würde ihr zwar zuhören, ein Protokoll aufnehmen, damit war die Sache dann gegessen. Ihre Alpträume würde man als Spinnerei abtun, das glaubte sie fest.
Aber gab es jemand, der ihr überhaupt Glauben schenkte? Noch immer auf der Bettkante sitzend, machte sie sich darüber Gedanken. Sie erinnerte sich an einen Mann, von dem sie nur gehört hatte.
Es lag schon einige Monate zurück, da tauchte auf einem Kinderfest ein Killer auf. Er hatte sein grausames Vorhaben nicht in die Tat umsetzen können, weil er unter anderem von einem bestimmten Mann gestoppt worden war, der sich als Polizist erwiesen hatte.
Sie selbst war nicht dabeigewesen, aber eine Kollegin hatte ihr von diesem Mann erzählt und auch seinen Namen genannt, den Brenda allerdings vergessen hatte.
Sie versuchte, sich daran zu erinnern. Sie kam nicht darauf. Innerlich spürte sie, daß sie auf dem richtigen Weg war. Nur dieser Polizist würde ihr zuhören, und es war jetzt auch kein
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