1088 - Killer in der Nacht
passiert bei uns so viel, daß ich die Zeit für andere Dinge einsetzen muß. Aber der Gedanke hat sich noch nicht aufgelöst, das kann ich dir versprechen.«
»Ich würde es dir wünschen, Sheila.«
Die Bedienung kam, und Sheila bestellte ein Wasser. Essen wollte sie nichts, es war ihr zu spät. In zwei Stunden war der Tag vorbei, und auch wir hatten nicht mehr vor, zu lange zu bleiben. Schließlich saßen wir schon seit über drei Stunden zusammen, und Estelle Crighton hatte am nächsten Tag wieder einen Termin.
Sie ließ es sich nicht nehmen, eine Viertelstunde später die Rechnung zu bezahlen. Sheila lächelt wissend, als sie hörte, daß ich Estelle begleiten würde, und ich drohte ihr nur mit dem Finger.
Wir verließen das Lokal. Es lag inmitten einer Passage, die auch in der Nacht noch beleuchtet wurde, damit die weihnachtlichen Dekorationen in den Schaufenstern gut zur Geltung kamen. Jeder wollte um diese Zeit verdienen. Vom teuren Schmuck bis hin zum billigen Kitsch war alles auf Weihnachten programmiert.
»Wie steht es denn mit deinen Geschenken?« fragte Sheila.
»Schlecht wie immer.«
»Das hatte ich mir gedacht.« Sie wies auf einen Tannenbaum, der festlich überladen war und ein glitzerndes Dreieck bildete. »Wenn du ihn ähnlich bei uns sehen willst, bist du herzlich eingeladen. Auch Suko, Glenda, Jane und…«
»So ein riesiges Fest?«
»Ja, mal wieder…«
Ich hob die Schultern. »Ich sage nicht nein, Sheila, aber du kennst meine Lage, und der Teufel nimmt gerade auf Weihnachten bestimmt keine Rücksicht.«
»Da hast du recht.«
Es wurde kaum dunkler, nachdem wir die Passage verlassen hatten. In der Nacht schimmerten die Beleuchtungen ebenfalls weihnachtlich. Überall hingen leuchtende Sterne und Christbäume. Nur war die Luft zu mild geworden, da konnte man schon auf Wintermäntel verzichten.
In der Nähe gab es ein Parkhaus, in dem Suko den Rover abgestellt hatte. Sheila parkte auch in der Nähe, und so konnten Estelle und ich uns ein Taxi nehmen.
Es zu finden, war kein Problem. Als wir einstiegen, nannte sie die Adresse.
Sie wohnte nicht weit vom Hyde Park entfernt, ungefähr dort, wo auch viele Hotels standen.
Der Fahrer fuhr los. Er war schon älter und trug eine Schiebermütze. Um uns kümmerte er sich nicht. Estelle saß neben mir. Sie trug einen modisch schicken grauen Wintermantel und hielt die Augen geschlossen. Die blaß geschminkten Lippen waren aufeinandergelegt, aber nicht zu fest zugedrückt, so daß ihr Gesicht entspannt wirkte.
»Wissen Sie, wie ich mich fühle, John?«
»Nein.«
»Wie jemand, der dicht vor einem neuen Leben steht.«
»Das kann ich mir denken.«
»Und ich weiß nicht, ob ich das Gefühl als Spannung oder als leichte Angst ansehen soll. Ich weiß es wirklich nicht.«
»Bitte keine Angst.«
»Klar, sie behindert. Ich wäre lieber unwissend geblieben, das müssen Sie mir glauben. Und wenn ich an diesen verfluchten Vampir denke und daran, in welch ein Monstrum er sich noch verwandelt hat, da kann ich nur sagen, daß ich so etwas niemals für möglich gehalten hätte. Das ist der blanke Wahnsinn, und das hat auch mit dem normalen Leben nichts zu tun, denke ich.«
»Stimmt.«
»Aber nicht bei Ihnen?«
»Es ist mein Job.«
»Ja, das hat mir Bill erzählt.« Sie schaute mich an. »Himmel, John, daß Sie noch leben, wo Sie diese schrecklichen Vorgänge tagtäglich erleben, daß muß Ihnen manchmal doch wie ein Wunder vorkommen.«
»Ist es auch. Aber man kann sich daran gewöhnen, und denken Sie immer daran, daß ich nicht blauäugig in die Falle hineingehe. Das dürfen Sie nicht glauben. Es gibt auch bei mir schon so etwas wie eine Routine, auch wenn jeder Fall immer anders läuft.«
»Ja, ich weiß«, flüsterte sie. »Außerdem hätte ich nie gedacht, daß es Männer wie Sie gibt, die sich mit derartigen Problemen beschäftigen. Das will mir auch jetzt noch nicht in den Kopf, obwohl ich dieses Monstrum ja in all seinem Schrecken hautnah erlebt habe.« Sie winkte ab. »Ich will auch nicht nach den Gründen fragen und nachhaken, wieso die Urzeit noch bei uns ihre Spuren hinterlassen hat. Wenn ich mich damit näher beschäftigen würde, dann werde ich verrückt. Aber mir ist etwas anderes aufgefallen. Wollen Sie es hören?«
»Ich bitte darum.«
»Ob Sie es glauben oder nicht, ich kann wieder normal in eine Scheibe sehen, ohne daß mein Gesicht dabei verläuft.« Sie lachte etwas unecht auf. »Dabei weiß ich nicht, ob ich mich darüber freuen
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