109 - Die Atemdiebin
traten in die Schleusenkammer, um nach draußen zu gelangen. Ohne auf Maddrax oder sie zu achten, gingen sie an Bord der Explorer.
»Na, das wird heute wohl nichts mehr mit dem Handel«, erkannte Aamiens betrübt und wies seine Familie an, die Felle auf eine in der Nähe grasende Last-Androne zu laden.
Aruula beschlich ein schlechtes Gewissen. Der Handel mit den Technos bedeutete viel für diese Leute, und nun, da sich alles um den EWAT drehte, mussten sie unverrichteter Dinge abziehen.
»Mach dir nichts draus«, tröstete Blaance, die ihre Gedanken erriet. »Meister Morvan hatte sowieso kein Interesse an den Fellen.« Anschließend erklärte sie noch, wo ihr Clan lagerte, dann schloss sie sich den anderen an.
Aruula winkte ihnen nach, als sie Richtung Liion verschwanden. Sie war fest entschlossen, die Jäger bei nächster Gelegenheit zu besuchen. Erst als sie sich umdrehte und das missmutige Gesicht ihres Gefährten sah, wurde ihr klar, dass sie zuvor noch einiges geraderücken musste.
»Diener?!«, schnaubte Maddrax. »Kannst du mir bitte mal erklären, was das bedeuten soll?«
***
»Jede Wette, daran sind nur die Pansser der Technos Schuld! Hast du schon mal den schlechten Atem gerochen, den sie ausstoßen? Bestimmt ist er es, der uns die Lebenskraft stiehlt!«
In dem Bistroo »Zum gebratenen Gerul« ging es wieder einmal hoch her. Und natürlich kannten alle nur ein Thema, das ihnen unter den Nägeln brannte. Den Atemdieb.
»So ein Quatsch«, hielt einer dagegen. »Die Technos fürchten den Schrecken selbst. Sie glauben, es ist eine Krankheit. Deshalb lassen sie sich auch nicht mehr in Liion sehen.«
Küchendunst und Kiffettenschwaden hingen wie Nebelbänke im Raum, ohne dass es jemanden scherte. Es war Nacht. Draußen herrschte Finsternis in den Gassen. Wer hier im gelben Schein der Kerzen und Fackeln verweilte, war froh, nicht alleine in irgendeiner Ruine hocken zu müssen.
»Eine Krankheit?«, mischte sich der Nächste ein.
»Schnupfen, Bluthusten oder eitrige Pusteln am Hintern – das sind Krankheiten. Wenn jemand über Nacht zum Greis wird, hat Orguudoo seine Klauen im Spiel. So sieht es aus!«
Zustimmung ertönte, Missfallen wurde geäußert. Die Meinungen der Gäste spalteten sich schon seit dem Tag, da die unheimlichen Vorfälle begonnen hatten. Viele sagten auch schon gar nichts mehr zum Thema, denn früher oder später drehten sich die Gespräche sowieso im Kreis. Was nützte es, immer abstrusere Vermutungen aufzustellen, die ohnehin keiner beweisen konnte? So lange sie nicht genau wussten, wer oder was die Vergreisungen auslöste, stocherten sie nur im Nebel herum.
»Hier, dein Essen!« Phiin, die Schankmagd, stellte einen dampfenden Teller auf die mit Kratzern und Kerben übersäte Theke.
Alaan betrachtete das köstlich zubereitete Mahl und sog den aufsteigenden Duft der gebackenen Lischette ein. Es war eines der Tiere, das er selbst gefangen und an den Wirt verkauft hatte. Neben dem ellenlangen Insektenkörper gab es noch eine Portion gekochte Erdknollen, die von zwei gerührten Emloteiern bedeckt wurde. Was für eine Mahlzeit! Das Wasser lief ihm im Munde zusammen.
Rasch wischte er seine Hände an der Hose ab, griff zu der Lischette und brach ihren Chitinpanzer entzwei. Daumen, Zeige- und Mittelfinger wie eine Klammer nutzend, zerrte er das heiße Fleisch hervor und stopfte es in den Mund. Als er nach seinem Becher Brabeelenwein griff, um nachzuspülen, bemerkte er eine Frau, die an den Tresen trat. Sie trug einen langen, bis zum Boden reichenden Fellmantel, der schon zu warm für den Frühling war, und hatte ein grünes Tuch um den Kopf geschlungen. So fest, das nicht mal die kleinste Haarlocke darunter hervor lugte. Alaan hätte gerne gewusst, welche Farbe sie verbarg, denn ihre geschwungenen Augenbrauen besaßen einen starken Stich ins Blaue.
Es musste ein Fremde sein, denn sie sah zu den Streitenden hinüber und lauschte jedem ihrer Worte. Schlank und kräftig war sie, das konnte selbst der Mantel nicht verbergen.
Vielleicht eine Jägerin aus den umliegenden Wäldern. Oder eine Kriegerin. Jedenfalls auf der Durchreise und arm wie eine Taratze, sonst würde sie sich nicht an einem fast leeren Wasserbecher festhalten.
»Möchtest du?«, fragte er, und schob den Teller in ihre Richtung. »Nimm ruhig, schmeckt gut. Habe ich selbst gefangen.«
Über ihr fein geschnittenes Gesicht huschte ein Lächeln, doch sie lehnte ab. »Nein danke, ich bin satt.«
Eine glatte Lüge. Er
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