11 - Die Helden des Westens
nach Westen gerückt ist, wird der Skalp eines weißen Hundes an meinem Gürtel hängen!“
Jetzt erst war zu erkennen, wie riesenstark der Mann sein müsse. Er besaß eine wahre Bärenmuskulatur. Gerade darum war das, was jetzt geschah, der Bewunderung wert. Nämlich Martin Baumann, der junge Sohn des Bärenjägers, sprang vor und rief in zornigem Ton:
„Die Weißen sind es, denen Ihr Euer Leben zu verdanken habt, und dennoch nennst du sie Hunde. Du bist nicht wert, daß ein erfahrener Krieger mit dir kämpft. Wohlan, hier steht ein junger weißer Hund, der sich nicht fürchtet, dir seine Zähne zu zeigen, obgleich du der stärkste Krieger deines Stammes bist. Ehe die Sonne so weit vorgerückt ist, wie du sagtest, wird die Haut der großschnabeligen krächzenden Krähe vom Hunde zerrissen sein!“
Seine Wangen waren gerötet und seine Augen leuchteten. Er warf den Jagdrock ab.
„Uff, uff!“ ertönte es bewundernd im Kreise.
Er war der jüngste unter den Anwesenden. Darum war der Eindruck, den sein mutiges Auftreten machte, ein außerordentlicher.
„Deh mehtsih – er ist ein Tapferer!“ entfuhr es selbst dem riesigen Upsaroka.
„Sehr brav“, sagte Old Shatterhand. „Das wird Euch nicht vergessen sein, mein lieber junger Master. Aber Ihr wißt, daß ich es bin, der aufgefordert wurde, und darum muß ich bitten, es mir zu überlassen, zu beweisen, daß ein ‚weißer Hund‘ sich nicht vor einer Krähe zu fürchten braucht.“
„Aber er ist's ja gar nicht wert, daß ein Mann wie Ihr mit ihm kämpft“, warf Martin ein. „Und wenn Ihr etwa meint, daß ich diesen Koloß zu scheuen habe, so denkt daran, daß ich schon gar manchen Grizzly erlegt habe.“
„Jawohl ist es Euch anzusehen, daß Ihr zu dem gefährlichen Gang gar gern bereit seid; aber begnügt Euch immerhin einstweilen mit dem Erfolg, welcher in unserer Bewunderung Eures Mutes besteht! Ich würde ja als Feigling gelten, wenn ich in diese Stellvertretung willigte.“
„Das kann ich freilich nicht bestreiten, und darum will ich mich Eurem Willen fügen; aber ich bin nicht gewohnt, mich einen Hund nennen zu lassen!“
Er zog den Jagdrock wieder an und trat zurück. Der Riese gab einem der Seinigen einen Wink. Dieser trat vor, entkleidete seinen Oberkörper und sagte:
„Hier steht Makin-oh-punkreh, der ‚Hundertfache Donner‘. Er machte seinen Schild aus der Haut seiner Feinde, und über vierzig Skalps wurden von ihm genommen. Wer wagt es, vor sein Messer zu treten?“
„Ich, Wohkadeh, werde den hundertfachen Donner zum Schweigen bringen. Ich kann mich keiner Skalpe rühmen; aber ich habe den weißen Büffel getötet und werde heute meinen Gürtel mit der ersten Kopfhaut schmücken. Wer fürchtet den Donner? Er ist der feige Gesell des Blitzes und erhebt seine Stimme erst dann, wenn die Gefahr vorüber ist!“
„Uff, uff!“ rief es abermals rundum, als der junge Indianer, der diese Worte sprach, hervortrat.
„Geh zurück“, höhnte der ‚Hundertfache Donner‘. „Ich kämpfe mit keinem Kind. Der Hauch meines Mundes würde dich töten. Lege dich ins Gras und träume von deiner Mutter, die dich noch mit Kammas zu füttern hat!“
Die Grabindianer, welche die verachtetsten Roten sind, suchen in den öden Gegenden, in denen sie ein bedauernswertes Dasein führen, nach einer zwiebelartigen Wurzel, welche in halb verfaultem Zustand von ihnen zu einem ekelhaften Kuchen, dem sogenannten Kammaskuchen, geformt wird. Selbst Hunde verschmähen, davon zu fressen. Also enthielten die Worte des ‚Donners‘ eine große Beleidigung für den wackeren Wohkadeh.
Bevor dieser letztere antworten konnte, trat Winnetou vor. Er gab dem jungen Indianer einen Wink, zurückzutreten, welchen dieser aus Achtung vor dem berühmten Mann sofort befolgte, und sprach:
„Den beiden Kriegern der Upsarokas ist bereits ihr Urteil gesprochen. Wer hat auf ihre stolzen Reden sich zum Kampfe gemeldet? Zwei Knaben, von denen wir alle überzeugt sind, daß sie Sieger sein würden, denn sie haben bereits den weißen Büffel und den grauen Bären besiegt und würden die beiden Krähen mit einem Drucke der Hand erwürgen. Aber wir wollen tun, als ob wir die Krähen für wirkliche Krieger halten. Sie sollen mit Männern kämpfen. Der ‚Hundertfache Donner‘ hat jetzt zum letztenmal gerollt.“
Da fragte der Genannte zornig:
„Wer bist du, der du solche Worte sprichst? Hast du einen Namen? An deinem Gewand ist kein einziges Haar eines Feindes zu sehen. Hast du nur
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