11 - Die Helden des Westens
Hand lähmen.“
Da erklärte Old Shatterhand laut, indem er auf Winnetou zeigte:
„Dieser unser Bruder hat sein Herz vor den Gedanken des Mordes verschlossen. Er wird seinen Feind besiegen, ohne ihm einen Tropfen Blutes zu nehmen.“
„Uff, uff, uff!“ riefen die Upsarokas.
Der ‚Hundertfache Donner‘ antwortete auf Old Shatterhands Erklärung in höhnischem Ton:
„Dieser Euer Bruder ist vor Angst wahnsinnig geworden. Die Qual soll ihm abgekürzt werden.“
Er bewegte sich einen Schritt vorwärts, so daß der Stamm des Baumes sich nun nicht mehr zwischen beiden befand. Das Messer fest in der Faust, hielt er das Auge mit einem wahren Raubtierblick auf Winnetou gerichtet. Dieser aber schien ihn gar nicht zu beachten. Er blickte scheinbar ganz gleichgültig in die Ferne, und sein Gesicht war so ruhig und unbewegt, als ob es sich jetzt um etwas ihm sehr Gleichgültiges handle. Aber Old Shatterhand bemerkte gar wohl, daß jeder Muskel und jede Sehne seines roten Kampfgenossen bereit war, dem erwarteten Angriff zu begegnen.
Der Upsaroka ließ sich täuschen. Er sprang ganz plötzlich auf Winnetou ein und erhob den Arm zum tödlichen Stoß. Aber anstatt zurückzuweichen, kam der Apache ihm ebenso blitzschnell entgegen. Mit gewaltigem Stoß rannte er dem Feind die Faust mit dem Messerheft in die Achselhöhle. Diese ebenso kühne wie kraftvolle und wohlgelungene Parade hatte den Erfolg, daß der Upsaroka zurückgeworfen wurde und sein Messer fallen ließ. Ein Griff des Apachen, der das seinige auch wegwarf, und ein Schrei des Roten – Winnetou hatte ihm die Hand verrenkt und stieß ihm im nächsten Augenblick die geballte Faust so in die Magengrube, daß er hintenüber stürzte und, mit der Hand am Baumstamm hängend, auf den Rücken zu liegen kam.
Der Upsaroka lag einen Augenblick bewegungslos, und das war genügend für den Apachen. Sein Messer vom Boden aufraffen, sich mit einem schnellen Schnitt durch den Riemen vom Baum befreien und auf den Feind niederknien, das war für ihn das Werk einer Sekunde.
„Bist du besiegt?“ fragte er.
Der andere antwortete nicht. Er atmete keuchend, teils von dem Stoß, den er erhalten hatte, teils auch aus Grimm und Todesangst.
Das war alles so gedankenschnell gegangen, daß die einzelnen Bewegungen des Apachen mit den Augen fast gar nicht voneinander zu unterscheiden gewesen waren. Kein Laut ließ sich rund im Kreis hören, und als der kleine Sachse ein jubelndes Hurra rufen wollte, gebot Old Shatterhand ihm durch eine so gebieterische Armbewegung Schweigen, daß er nur die erste Silbe dieses Wortes hören ließ, die zweite aber nicht aussprach.
„Stich zu!“ knirschte der Upsaroka, indem er einen Blick glühenden Hasses in das Gesicht des über ihn gebeugten Apachen warf und dann die Augen schloß.
Aber Winnetou erhob sich, schnitt den Riemen des Besiegten durch und sagte:
„Stehe auf! Ich habe versprochen, dich nicht zu töten, und ich halte mein Wort.“
„Ich mag nicht leben; ich bin besiegt!“
Da trat Oiht-e-keh-fa-wakon zu ihm heran und gebot ihm in zornigem Ton:
„Erhebe dich! Dir wird das Leben geschenkt, weil dein Skalp für den Sieger keinen Wert hat. Du hast dich gehalten wie ein Knabe. Aber noch stehe ich hier, um für uns zu kämpfen. Ich werde zweimal siegen, und während wir uns in die Skalpe der Feinde teilen, kannst du zu den Wölfen der Prärie gehen, um bei ihnen zu wohnen. Die Heimkehr zu dem Wigwam ist dir verboten!“
Der ‚Hundertfache Donner‘ stand auf und griff nach dem ihm entfallenen Messer.
„Der große Geist hat nicht gewollt, daß ich siege“, sagte er. „Zu den Wölfen gehe ich nicht. Hier habe ich ein Messer, um das Leben zu enden, welches ich nicht geschenkt haben mag. Vorher aber will ich sehen, ob du besser als ich zu siegen verstehst.“
Er entfernte sich langsam eine kurze Strecke und setzte sich dort in das Gras. Es war ihm anzusehen, daß es ihm Ernst damit war, die Schande, besiegt worden zu sein, nicht zu überleben.
Kein Blick aus den Augen der Seinen fiel auf ihn. Desto hoffnungsvoller sahen sie auf ihren Anführer, der seine mächtige Gestalt an den Stamm lehnte und Old Shatterhand aufforderte:
„Komm herbei, und laß uns losen!“
„Ich lose nicht“, antwortete dieser. „Man mag mich mit der Rechten anbinden.“
„Wohl, weil du schneller sterben willst!“
„Nein, sondern weil ich glaube, daß deine Linke schwächer ist als die Rechte. Ich will keinen Vorteil über dich haben. Du bist
Weitere Kostenlose Bücher