11 - Die Helden des Westens
tiefes, quadratisch gegrabenes Loch von oben vollständig verschloß. Dieses Loch war wohl über zwei Ellen lang und breit und bis an den Rand mit allerlei Gegenständen angefüllt.
Das erste, was man sah, war ein Säbel und eine – Uniform, auf welcher ein altes, zusammengebrochenes Zeitungsblatt lag.
„Die Montur des Offiziers, und ooch sein Raubritterschildknappensäbel!“ sagte Frank, indem er die Klinge aus der Scheide zog und mit derselben durch die Luft schlug. „Wenn der Halunke da wäre, würde ich ihm eene tüchtige Pfrieme off den Kopp versetzen.“
„Du meinst wohl eine Prime!“ verbesserte der Juggle-Fred.
„Ich meene gar nichts, wenigstens für dich nichts, alter Offschneider und Besserwisser! Ich werde doch wohl wissen, was die fechtbaren Kunstausdrücke zu bedeuten haben. Ich habe mir schon als knabenähnlicher Junge hölzerne Säbels geschnitzt und schpäter alle daroff bezüglichen Kunst- und Fachwörter, was der Lateiner thermopylus polytechnicus nennt, im Koppe auswendig gelernt. Een Hieb von oben heeßt Pfrieme, und eener von unter heeßt polnische Schwarte, weshalb man eben oft sagt: ‚er kriegt Schwarte‘ anstatt, ‚er kriegt Prügel‘. Ich als forschtamtlicher tempus passatus werde wohl besser wissen als du, was – – –“
„Bitte, lieber Frank, das Papier!“ unterbrach ihn Old Shatterhand.
„Schön! Gleich! Ich kann dem Fred die Leviten ooch später lesen, wenn wir diese Mördergrube ausgeräumt haben.“
Er gab Old Shatterhand das Zeitungsblatt. Dieser öffnete dasselbe. Es enthielte einen mit Bleistift beschriebenen Zettel. Der Jäger las die Zeilen vor:
„Venid pronto en nuestro escondite! Precaución! Old Shatterhand esta en casa de Helmers.“
„Daß heißt?“ fragte Fred. „Nun, Frank, du bist ja Sprachkenner.“
„Jawohl“, antwortete der Angeredete. „Es ist von Old Shatterhand und Helmers die Rede. Aber dieses Hebräisch ist so mit indianischen Präflixen und Sufflixen verschimpfiert und von solchen indogermanischen Trichinen durchfressen, daß sich mir gleich beim erschten Wort das Herz im Leibe umdreht. Ich wasche meine Hände in Unschuld und beschäftige mich lieber da mit der Uniform.“
Er begann die Taschen der Uniform sehr angelegentlich zu untersuchen. Old Shatterhand übersetzte die spanischen Zeilen:
„Kommt rasch in unser Versteck! Vorsicht! Old Shatterhand befindet sich bei Helmers.“
Von einer Erklärung dieser Worte wurde zunächst abgesehen. Man wollte wissen, was alles sich in dem Loch befand. Dasselbe enthielt getragene, aber noch brauchbare Kleidungsstücke in verschiedenen Formen, Farben und Größen, Flinten, Pistolen, Messer, Blei, blecherne Schachteln mit Zündhütchen und endlich gar ein Fäßchen, welches noch halb voll Pulver war. Sämtliche Taschen der Anzüge waren leer. Auch einige Equipierungen der Indianer kamen schließlich noch zum Vorschein.
„Die Kleider verbrennen wir“, sagte Old Shatterhand. „Das andere ist gute Beute, und jeder mag sich davon nehmen, was ihm beliebt. Das Übrigbleibende wird mit zu Helmers genommen. Ich bin überzeugt, daß die Llano-Runners noch mehrere solcher Verstecke haben, in denen sie ihre Vorräte aufbewahren. Die Uniform gehörte wahrscheinlich einem Offizier, und die Indianerkleider Eingeborenen, welche von ihnen ermordet worden sind. Von allen diesen Fundgegenständen hat für mich nur der Zettel Wert. Was würdet Ihr aus dem Inhalt desselben schließen, Master Jim?“
„Zweierlei“, antwortete der Gefragte. „Erstens, daß der Kerl einen Heidenrespekt vor Euch hat. Er wäre jedenfalls noch länger in Helmers Home geblieben, wenn er nicht Euch dort getroffen hätte. Zwar weiß ich nicht, was dort geschehen ist, aber ich denke so.“
„Und zweitens?“
„Zweitens sind noch Genossen hinter ihm, welche er durch diesen Zettel warnen will. Auch sie wollen in den Estacado; auch sie kommen hierher, um die Grube zu öffnen. Er bestellt sie an einen Ort, den er auch mit dem Namen Versteck bezeichnet. Wie mir scheint, ist damit ein Versammlungsort gemeint.“
„Eure Vermutung ist auch die meinige. Ihr erseht aus dem Stand der Dinge, daß Ihr die verlorene Fährte nun nicht aufzusuchen braucht. Dieser Mann stößt ganz gewiß wieder zu seinen vier Gefährten. Um zu ihnen zu kommen, braucht Ihr nur mir zu folgen. Seine Spur wird von hier an sehr deutlich sein. Sie führt jedenfalls nach dem Versteck, von welchem er in diesen Zeilen schreibt. Ihr könnt Euch doch wohl
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