11 - Die Helden des Westens
staubigen Orangerot. Es sah ganz so aus, als ob dort ein Sturm wüte, welcher den feinen Sand bis empor zum Himmel wirbele.
Im Osten wurde es dunkel wie von schweren Wolken, und doch waren keine Wolken zu sehen. Da plötzlich sprang der Comanche auf und schrie, die höchste Tugend des Indianers, die Selbstbeherrschung, ganz vergessend, indem er nach der im Osten liegenden schwarzen Wand deutete:
„Maho-timb-yuavah – der Geist des Llano!“
Die anderen sprangen erschrocken auf. Sie bemerkten erst jetzt die Veränderung des Himmels; aber der Schreck erstarrte ihre Blicke, als sie dieselben dahin richteten, wohin ‚Eisenherz‘ zeigte.
Wohl drei scheinbare Manneshöhen über der Linie des Horizontes jagte ein Reiter am Himmel dahin. Die schwarze Wand zeigte da, wo die Gestalt sich befand, einen runden, hell erleuchteten Fleck, welcher sich mit dem Reiter in ganz gleicher Geschwindigkeit fortbewegte, so daß der letztere wie eine dunkle, aber sich bewegende Silhouette in lichtem Rahmen erschien. Seine Gestalt und ebenso diejenige des Pferdes war übermenschlich groß. Alle seine Glieder waren deutlich zu erkennen. Er hielt mit der Rechten die Zügel, sein Haupt war umwallt von langen Haaren, er trug den Kopfschmuck des Indianers. Das auf seinem Rücken hängende Gewehr schlug auf und nieder. Mähnenhaar und Schweif des Pferdes wehten wie im Sturm hinterwärts. Das gespenstische Tier flog dahin, als ob es von der Hölle gehetzt werde.
Und das geschah am hellen Tage, eine volle Stunde vor Untergang der Sonne! Es machte einen unbeschreiblichen, grauenhaften Eindruck auf die Beschauer. Keiner von ihnen ließ ein Wort, einen Laut hören.
Die schwarze Wand brach im Süden fast schroff und senkrecht ab. Dieser Stelle jagte der Reiter zu. Er näherte sich ihr mehr und mehr. Noch zehn Sprünge des Pferdes, noch fünf, noch drei, noch einer – das Tier schoß hinaus in die Leere und war mitsamt dem Reiter verschwunden. Auch der lichte Rahmen war nicht mehr zu sehen.
Die Männer standen noch immer wortlos beieinander. Bald blickten sie dorthin, wo das Phänomen erschienen und entschwunden war, bald sahen sie einander an. Da schüttelte sich Jim, als ob er friere, und sagte:
„Alle guten Geister! Wenn das nicht der Geist des Llano estacado war, so will ich mich niemals wieder Snuffle heißen lassen! Habe wirklich immer geglaubt, daß es ein Unsinn sei; jetzt aber wäre man ja geradezu verrückt, wenn man noch zweifeln wollte. Mir ist innerlich ganz unreell zu Mute. Wie befindest du dich, alter Tim?“
„Grad so, als ob ich ein alter Geldbeutel wär', in welchem auch nicht ein einziger armer Cent zu finden ist. Ich bin leer, ganz leer, vollständig nur Haut und Luft! Und seht nur, wie schnell sich der Himmel verändert! Das ist ja noch nie dagewesen!“
Die obere Kante der erwähnten schwarzen Wand färbte sich blutrot; Flammenbüschel zuckten auf und nieder. Der eine Schenkel des noch am Himmel sichtbaren Hufeisens senkte sich nieder. Und je tiefer er herabstieg, desto breiter und dunkler wurde er. Im Süden wirbelte es wie ein vom Sturme gepeitschtes Meer von Staub und Rauch. Es kam näher und näher. Über die Sonne legte sich ein düsterer Vorhang, welcher von Sekunde zu Sekunde immer höher und breiter wurde. Der dunkle Wolkenstreifen schien jetzt förmlich vom Himmel zu fallen. Mit einem Male wurden die entsetzten Männer von einer ganz ungewöhnlichen Kälte ergriffen. Ein schrilles Heulen ließ sich in der Ferne hören.
„Um Gottes willen, zu den Pferden!“ schrie Juggle-Fred. „Schnell! Sonst gehen sie durch! Reißt sie nieder! Sie müssen sich legen. Haltet sie fest, aber legt euch selbst ganz platt auf die Erde!“
Alle fünf sprangen zu den drei Pferden, welche angstvoll schnauften und sich gar nicht weigerten, als sie niedergezerrt wurden. Sie lagen hart am Gebüsch und steckten die Köpfe unter die Zweige. Und kaum lagen auch die Männer da, so brach es los. Das war ein Pfeifen, Stöhnen, Heulen, Sausen, Brausen, Krachen und Brüllen, welches jeder Beschreibung spottet. Die Männer hatten das Gefühl, als ob eine zentnerschwere Decke plötzlich auf sie geworfen werde. Sie wurden mit solcher Gewalt zu Boden gedrückt, daß es ihnen unmöglich geworden wäre, sich jetzt zu erheben, selbst wenn sie den Versuch dazu hätten wagen wollen. Eiseskälte strich ihnen durch die Gebeine. Alle Öffnungen, Augen, Nase, Mund und Ohren, wurden ihnen wie mit erstarrendem Wasser geschlossen. Sie vermochten nicht
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