11 - Die Helden des Westens
zu atmen, sie waren dem Ersticken nahe. Und da plötzlich strich es wieder glühend heiß über sie hin, und die heulenden Stimmen des Llano estacado verklangen in der Ferne. Die Pferde sprangen auf und wieherten laut. Der plötzlich hereingebrochenen, tief dunklen und erstarrend kalten Nacht folgte heller Sonnenschein und belebende Wärme. Man konnte den Mund öffnen; man vermochte wieder zu atmen. Die fünf Gestalten begannen sich zu bewegen. Sie befreiten ihre Augen von dem hindernden Sand und sahen sich um.
Sie waren von einer fußhohen Schicht kalten Sandes bedeckt. Das war die Decke, welche der Tornado über sie geworfen hatte.
Ja, ein Tornado war es gewesen, einer jener mittelamerikanischen Zyklone, welche von einer Kraftentwicklung sind, die kaum anderswo ein Seitenstück findet. Die Zerstörungen, welche so ein Tornado anrichtet, sind ganz furchtbarer, fast unglaublicher Art. Er erreicht eine Geschwindigkeit von bis hundert Kilometer in der Stunde und ist meist von elektrischen Erscheinungen begleitet, welche oft noch lange nachhalten. Selbst der Samum der afrikanischen Wüste ist nicht von solcher Wucht, und nur der entsetzliche Sand- oder Schneesturm der wilden Gobi entwickelt eine elementare Macht, welche sich mit derjenigen eines Tornado vergleichen läßt.
Die fünf Männer erhoben sich und schüttelten den Sand von ihren Gewändern. Das Gesträuch hatte dem Flugsand ein Hindernis geboten, so daß er wie eine zwei Ellen hohe Sandwehe vor demselben aufgeschichtet lag.
„Gott sei Dank, daß es so gnädig vorübergegangen ist!“ sagte Jim. „Wehe denen, welche sich während dieses Tornado in dem offenen Llano befunden haben! Sie sind verloren.“
„Nicht so unbedingt, wie Ihr meint“, entgegnete Fred. „Diese schrecklichen Winde haben zum Glück oft nur eine Breite von einer halben englischen Meile; um so größer aber ist ihre Gewalt. Dieser wütende Luftstrom hat uns nur mit seinen Seitenwellen überflutet. Hätten wir uns in seiner Mitte befunden, so wären wir mitsamt den Pferden wer weiß wie weit mit fortgerissen und irgendwo zerschellt worden.“
„Ganz richtig!“ nickte Tim. „Ich kenne das. Habe drüben am Rio Contschos mal die Verwüstungen angesehen, welche so ein Tornado dort anrichtete. Er hatte sich so von außen herum in einen Urwald hineingeschlängelt und durch denselben sozusagen eine schnurgerade Straße gerissen. Baumriesen von einem Durchmesser, welcher bei einigen wohl an die zwei Meter betrug, waren entwurzelt worden und lagen wirr über- und durcheinander. Diese Straße, welche aber natürlich vollständig unpassierbar war und auf welcher kein einziger Baum sich stehend erhalten hatte, besaß eine so scharfe Seitenabgrenzung, daß rechts und links die Bäume nur ganz leicht verletzt waren. Der Yankee nennt diese Stürme Hurricane und gibt auch den von ihnen niedergeschmetterten Waldstrecken ganz denselben Namen.“
„Schrecklich genug war's!“ meinte der Hobble-Frank. „Der Atem war mir so vollständig ausgegangen, daß meine Klarinette beinahe nur noch off dem letzten Loche pfiff. Wir haben in Sachsen doch ooch zuweilen unsere Schtürme gehabt, aber so wilde und unkultiviert wie hier sind sie nich. So een sächsischer Hauptorkan is gegen eenen amerikanischen Tormenado das reene Kinderspiel, das reene Mailüftchen, grad zureichend, den heeßen Kaffee kalt zu blasen. Und dazu haben mich eure Maulesel halb tot geschtrampelt. Sie wollten zuletzt nich mehr liegen bleiben und hielten meine edle Gestalt sonderbarerweise für – – –“
„Maultiere, wollten Sie wohl sagen“, unterbrach ihn Jim.
„Nee, Maulesel sage ich! Wenn sie so in dieser Weise off mir herumschtampfen, sind sie eben die größten Esel, die es nur geben kann. Sie haben mir die ganze künstlerische Konschtruktion meines ostgotischen Körperbaues auseenander getreten. Ich sollte euch eegentlich off Schadenersatz verklagen; aber wer so eenzig in der Welt daschteht wie ich, der is doch gar nich zu ersetzen. Deshalb will ich dieses Mal Gnade für Recht ergehen lassen, muß mir aberst für das zukünftige Futurum solche Mauleselei off das allerschtrengste verbitten. Fixi et salvavi animal!“
„Dixi heißt es, und animam!“
„Schweigste schtille! Wenn ich arabisch schpreche, so is mir deine Meenung vollschtändig schnuppe“, schrie Frank ihn zornig an. „Das fehlte grade noch, daß so een verflossener Taschenspieler, wie du bist, sich solche Randbemerkungen erlooben dürfte! Lerne was, so
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