11 - Die Helden des Westens
Apachen. Beide sprangen dann rasch vom Boden auf. Winnetou schnellte, sein Gewehr von sich werfend und das Messer aus dem Gürtel reißend, wie ein Panther über den Bach hinüber und in das Dickicht hinein.
„Uhvai k'unun! Uhvai pa-ave! Uhvai umpare! – Die Feuer aus! Nicht bewegen! Nicht sprechen!“ rief Old Shatterhand im Utahdialekt der Schoschonen.
Zugleich warf er, indem er mit dem bestiefelten Fuß in das Feuer, an welchem er gesessen hatte, fuhr, die Brände desselben in den Teich. Dann sprang er dem Apachen nach.
Die Schoschonen waren ebenso wie die Weißen bei dem Knall der beiden Schüsse emporgesprungen. Die geistesgegenwärtigen roten Krieger befolgten, als sie Old Shatterhands Ruf hörten, im Augenblick seinen Befehl, indem sie die Brände ins Wasser schleuderten. Im Nu herrschte tiefe Dunkelheit, und doch waren seit den Schüssen kaum vier oder fünf Sekunden vergangen.
Auch das Gebot, still zu sein, wurde berücksichtigt, nur von einem nicht, nämlich von dem im Wasser sitzenden Neger, um dessen Kopf die Feuerbrände flogen und zischend in der Flut verlöschten.
„Jessus, Jessus!“ schrie er auf. „Wer haben da schießen? Warum werfen Feuer auf arm Masser Bob? Soll Masser Bob verbrennen und versaufen? Soll er werden gekocht wie Karpfen? Warum es dunkel werden? Oh, oh, Masser Bob sehen gar niemand mehr!“
„Schweig, Dummkopf!“ rief Jemmy ihm zu.
„Warum soll Masser Bob schweigen? Warum jetzt nicht –“
„Still! Sonst wirst du erschossen! Es sind Feinde hier!“
Von diesem Augenblick an war ‚Masser Bobs‘ Stimme nicht mehr zu hören. Er saß bewegungslos im Wasser, um seine teure Gegenwart dem Feind ja nicht zu verraten.
Stille war es rundum. Nur ein zeitweiliges Hufstampfen oder das Schnauben eines Pferdes ließ sich hören. Die so unerwartet aus ihrer Sicherheit aufgeschreckten Männer hatten sich eng zusammengedrängt. Die Indianer sprachen kein Wort; die Weißen aber flüsterten einander leise Bemerkungen zu.
Da ertönte Old Shatterhands laute Stimme:
„Ein Feuer wieder anbrennen! Haltet euch aber fern von demselben, damit ihr nicht gesehen werdet.“
Jemmy und Davy knieten nieder, um diesen Befehl zu erfüllen, und zogen sich dann schleunigst in die Dunkelheit zurück.
Im Schein des Feuers waren Winnetou und Old Shatterhand zu sehen, welche zurückkehrten, jeder mit einem Gewehr in der Hand und einem Indianer auf der Schulter. Die anderen wollten sich um sie drängen, aber Old Shatterhand sagte:
„Jetzt gibt es keine Zeit zu Auseinandersetzungen. Diese beiden Toten werden auf Reservepferde gebunden, und dann brechen wir auf. Es sind zwar nur die beiden hier am Lager gewesen, aber man kann nicht wissen, wieviele hinter ihnen stehen. Also schnell!“
Beide Leichen hatten ein rundes Loch in der Stirn und auch ein solches im Hinterkopf. Die Kugeln waren ihnen also durch den Kopf gegangen, ganz wie Old Shatterhand zu Winnetou gesagt hatte: „Tayassi – in die Stirn.“
Die anderen waren wohl auch vortreffliche Schützen, eine so unglaubliche Sicherheit des Schusses aber setzte sie in das größte Erstaunen, und die Schoschonen flüsterten heimlich miteinander und warfen abergläubische Blicke auf die beiden berühmten Männer.
Der Aufbruch wurde schnell und still vorbereitet. Natürlich mußte das Feuer wieder verlöscht werden; dann setzten Winnetou und Shatterhand sich an die Spitze des Zuges, und der nächtliche Ritt begann.
Wohin er gehen sollte, das fragte niemand. Man verließ sich auf die beiden Führer. Das Tal wurde bald so eng, daß einer hinter dem anderen reiten mußte. Dieser Umstand und die gebotene Vorsicht ließen kein Gespräch aufkommen.
Natürlich hatte man den Neger nicht im Wasser sitzen lassen. Er saß ohne Kleidung auf seinem Gaule und mußte am Ende des Zuges reiten, weil er das duftende Vermächtnis des Stinktieres noch sehr merklich an sich trug. Er hatte vom langen Davy dessen alte, zerfetzte Santillodecke, welche demselben als Sattel diente, erhalten und sie sich wie einen Südseeinsulanerschurz um die Hüften gewickelt. Er war mit sich und seinem Schicksal zerfallen, und sein immerwährendes leises Vorsichhinbrummen ließ vermuten, daß er allerhand trüben und zornigen Gedanken Audienz gebe.
So ging es in möglichster Stille und möglichster Schnelligkeit stundenlang fort, erst durch das enge Tal, dann eine breite, kahle Berglehne empor, drüben wieder hinab, über eine vielfach gewundene, schmale Prärie, und als der Tag endlich
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