11 - Die Helden des Westens
also um dergleichen gar nicht bekümmert. Ihr meint also wohl, daß die Upsarokas hinter uns her sind!“
„Jedenfalls folgen sie uns. Jetzt nun erst recht, da wir zwei der Ihrigen getötet haben.“
„Das wissen sie wohl nicht genau.“
„Sie werden jedenfalls das Blut finden. Es mag zwar wenig aus den Wunden geflossen sein, aber doch so viel, daß es heute am Tage bemerkt wird.“
„So müssen wir also für heute abend auf einen Überfall vorbereitet sein.“
„Sie mögen kommen“, meinte der lange Davy. „Wohkadeh sagt, sie seien über zehn gewesen; sagen wir zwanzig, so sind wir ihnen mehr als doppelt überlegen.“
„So rechne ich nicht“, entgegnete Old Shatterhand. „Wenn wir es zu einem nächtlichen Überfall kommen lassen, so fließt Blut, mag das nun das unsrige oder das ihrige sein. Siegen würden wir sicher, aber einige von uns müßten doch wohl diesen Sieg mit dem Leben bezahlen. Das können wir vermeiden. Was sagt mein roter Bruder dazu?“
Diese Worte waren an Tokvi-tey, den Häuptling der Schoschonen, gerichtet. Er blickte eine Weile sinnend vor sich nieder und fragte dann:
„Wollen meine weißen Brüder nicht eine Beratung halten? Die roten Krieger beginnen nichts, bevor sie nicht die Meinung der Erfahrenen gehört haben.“
„Das werden wir ja auch; aber zu einer Beratung, wie die roten Krieger sie gewöhnt sind, haben wir keine Zeit. Sind die Upsarokas jetzt Feinde der Schoschonen?“
„Nein. Sie sind die Feinde der Sioux-Ogellallah, welche auch unsere Feinde sind. Wir haben gegen sie nicht das Beil des Krieges ausgegraben; aber ein Krieger, welcher eine Medizin sucht, ist der Feind aller Menschen. Man muß sich gegen ihn verwahren wie gegen ein wildes Tier. Meine weißen Brüder mögen klug sein und Vorkehrungen zu unserer Sicherheit treffen!“
Jetzt warf Old Shatterhand einen fragenden Blick auf Winnetou, welcher bis jetzt noch kein Wort gesprochen hatte. Es war wirklich zum Verwundern, wie gut sich diese beiden verstanden. Ohne daß Old Shatterhand irgendeinem Plan Worte gegeben hatte, erriet Winnetou seine Gedanken, denn der Apache antwortete:
„Mein Bruder beabsichtigt das Richtige.“
„Einen Bogen rückwärts reiten?“
„Ja. Winnetou stimmt bei.“
„Das freut mich. In diesem Fall sind wir nicht die Angegriffenen, sondern die Angreifer, und da es am Tag geschieht, so werden die Upsarokas sehen, wie sehr wir ihnen überlegen sind. Vielleicht ergeben sie sich uns freiwillig.“
„Werden sich hüten!“ meinte Jemmy.
„Ich hoffe es dennoch. Es kommt ganz darauf an, wie wir es anfangen. Wenn ich mich nicht irre, so erreicht man von hier aus in zwei Stunden einen Ort, welcher sich ganz ausgezeichnet zur Ausführung meines Planes eignet.“
„So wollen wir hier nicht unnötig die Zeit versäumen. Je länger wir hier bleiben, desto weniger Muße haben wir dort, uns vorzubereiten. Was aber fangen wir mit diesen Toten an?“
„Die Skalpe dieser beiden Krieger gehören Old Shatterhand und dem Häuptling der Apachen, von denen sie getötet wurden“, antwortete Tokvi-tey.
„Ich bin ein Christ. Ich skalpiere nicht“, sagte der erstere.
Und Winnetou antwortete mit einer abweisenden Handbewegung:
„Der Häuptling bedarf nicht des Skalpes dieses Knaben, um seinen Namen berühmt zu machen. Diese Toten sind unglücklich genug, da sie ohne ihr Heiligtum nach den ewigen Jagdgründen gegangen sind. Man soll nicht auch noch ihre Seelen töten, indem man ihnen die Skalplocke nimmt. Sie mögen ruhen unter Steinen, mit ihren Gewehren, denn sie sind als Krieger gestorben, welche den Mut gehabt haben, sich an das Lager ihres Feindes zu wagen.“
Das hatte der Anführer der Schoschonen nicht erwartet. Er fragte mit allen Zeichen des Erstaunens:
„Meine Brüder wollen denen, welche nach ihrem Leben trachteten, ein Begräbnis geben?“
„Ja“, antwortete Old Shatterhand. „Wir werden ihnen ihre Gewehre in die Hand geben, sie aufrecht setzen, mit den Gesichtern nach der Gegend der heiligen Steinbrüche, und dann Steine auf sie legen. So ehrt man die Krieger. Wenn dann ihre Brüder kommen, um uns zu verfolgen, so werden sie erkennen, daß wir nicht ihre Feinde, sondern ihre Freunde sind; zeig, daß auch du ein edler Krieger bist, und gebiete deinen Männern, Steine zu holen, mit denen wir die Hügel errichten!“
Das Begriffsvermögen der Schoschonen reichte nicht aus, sich in die Ansichten der beiden Männer hineinzudenken, doch hegten sie vor ihnen eine solche
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