11 - Die Helden des Westens
wunderbares Zusammentreffen. Vielleicht erfahren wir nun Genaueres.“
„Wohkadeh kann nichts Sicheres sagen, aber er vermutet, daß diese beiden jungen Krieger zum Stamme der Upsarokas gehören.“
So nennen sich die Krähenindianer.
„Welchen Grund hat mein junger Bruder zu dieser Vermutung!“ fragte Old Shatterhand.
„Wohkadeh war dabei, als die Upsarokas von den Sioux-Ogellallah bestohlen wurden. Wir kamen, von dem langgestreckten Berge her, welchen die Bleichgesichter den Rücken des Fuchses nennen, und gingen über den nördlichen Arm des Cheyenneflusses, da, wo derselbe sich zwischen dem dreifachen und dem Inyancara-Berge hindurchwindet. Während wir zwischen dem Berg und dem Fluß hinritten, bogen wir um die Ecke eines Waldes und sahen viele rote Männer, welche im Wasser badeten. Es war ein heißer Tag. Die Ogellallahs hielten eine kurze Beratung. Die Badenden waren Upsarokas, also Feinde von ihnen. Es wurde beschlossen, ihnen die größte Schande anzutun, welche einem roten Krieger widerfahren kann – – –“
„Alle Teufel!“ rief Old Shatterhand. „Sie haben ihnen doch nicht etwa die größten Heiligtümer, ihre Medizinbeutel, rauben wollen?“
„Mein weißer Bruder hat es erraten.“
„So weiß ich nun alles, was du erzählen willst. Aber sprich nur weiter!“
„Die Sioux-Ogellallah ritten unter den Bäumen hin bis zur Stelle, an welcher die Pferde der Upsarokas weideten. Dort lagen deren Kleider und Waffen, dazu auch die Medizinen, welche sonst kein Krieger vom Halse nimmt. Die Ogellallah stiegen ab und schlichen sich hinzu. Da ein Gebüsch zwischen dem Ort und dem Fluß war, so gelang es ihnen nicht, den Diebstahl auszuführen, denn sie konnten von den Badenden nicht bemerkt werden.“
„Hatten diese denn keine Wache zurückgelassen?“
„Nein. Sie konnten nicht vermuten, daß ein Trupp feindlicher Ogellallah dahin kommen könne, wo damals die Rosse der Upsarokas weideten. An den Waffen vergriffen die Sioux sich nicht, denn sie hatten ja selbst welche; aber die vorhandene Munition und einige Kleidungsstücke nahmen sie mit. Dann stiegen sie wieder auf ihre Pferde, ergriffen die Tiere und galoppierten mit denselben davon. Später gaben sie die schlechten frei und behielten die guten für sich. Als die Beute geteilt wurde, bekam Wohkadeh dieses Jagdhemd für sich. Er aber wollte kein Dieb sein, sondern er schnitt sein Totem hinein und warf es dann heimlich weg.“
„Wann war das?“
„Zwei Tage vorher, ehe ich von den Ogellallah als Kundschafter gegen die Krieger der Schoschonen ausgesandt wurde.“
„Also ganz kürzlich erst. Sechs Tage später trafst du mit Jemmy und Davy zusammen. Jetzt ist mir alles klar, und es ist für uns ein großes Glück, daß wir diese beiden Upsarokas bemerkt und getötet haben. Hat Wohkadeh die Badenden gezählt?“
„Nein, aber es waren weit mehr als zehn.“
„Sie haben sich möglichst schnell mit neuen Pferden und neuer Munition versehen und sind den Dieben nach. Dabei wurde von ihnen dieses weggeworfene Jagdhemd gefunden, welches der rechtmäßige Eigentümer wieder an sich nahm.“
„Es kann aber auch anders sein“, warf Jemmy ein. „Kann nicht irgendein ganz unbeteiligter Mensch das Hemd gefunden und angezogen haben?“
„Nein, denn in diesem Fall hätte er sein eigenes Kleidungsstück darunter. Dieser Tote hier aber hat unter demselben eine alte, zerfetzte Jacke auf dem Leib, der man es wohl ansieht, daß sie nur als Aushilfe dienen mußte. Es gibt keine größere Schande für einen Indsman, als wenn ihm sein Heiligtum gestohlen wird. Er darf sich nicht eher wieder bei den Seinen sehen lassen, als bis er es sich wiedergeholt oder an seiner Stelle ein anderes geraubt und also den Besitzer desselben getötet hat. Der Indianer, welcher auszieht, um einen verlorenen Medizinsack zu ersetzen, entwickelt eine beinahe wahnsinnige Verwegenheit. Es ist ihm ganz gleich, ob er einen Freund oder einen Feind tötet, und so bin ich vollständig überzeugt, daß wir gestern abend einer außerordentlichen Gefahr entgangen sind. Wie nun, bester Jemmy, wenn wir uns auf Eure Augen hätten verlassen müssen?“
„Hm!“ antwortete der Dicke, indem er mit der Hand unter den Hut fuhr, um sich verlegen zu kratzen. „In diesem Fall lägen wir irgendwo in aller Ruhe, aber ohne Skalp und Leben. Ich verstehe zwar auch, des Nachts ein Auge zu erkennen, aber gestern war ich so überzeugt, daß kein feindliches Wesen in der Nähe sei, und habe mich
Weitere Kostenlose Bücher