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11 - Nie sollst Du vergessen

11 - Nie sollst Du vergessen

Titel: 11 - Nie sollst Du vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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und mit wem ich zusammen war.«
    »Mit einer Dame namens Sahnehöschen, deren wahrer Name Ihnen unbekannt ist.«
    »Na schön, ich geh noch mal online. Ich werde sie schon dazu kriegen, sich zu melden, wenn Sie solchen Wert darauf legen.«
    »Das traue ich Ihnen sogar zu«, sagte Leach. »Aber nach allem, was Sie uns erzählt haben, wird das nicht viel helfen.«
    »Wieso nicht? Ich kann ja wohl nicht an zwei Orten zugleich sein.«
    »Nein, das sicher nicht. Aber auch wenn die besagte Dame Ihre Aussage bestätigt, werden Lücken bleiben, weil sie uns ja nicht sagen können wird, wohin Sie nach dem Stelldichein mit ihr gefahren sind. Da wird also mindestens eine halbe, wenn nicht eine ganze Stunde Ihres Tuns offen bleiben. Und wenn Sie jetzt behaupten, sie könnte Ihnen gefolgt sein, begeben Sie sich auf sehr dünnes Eis, Meister. Denn wenn sie Ihnen hätte folgen können, dann hätte Ihnen nach einem ebensolchen Stelldichein auch Eugenie Davies folgen können.«
    Pitchley stieß sich so heftig vom Tisch ab, dass die Beine seines Stuhls laut quietschend über den Fußboden schrammten.
    »Wer?«, rief er mit heiserer Stimme. »Wer, sagen Sie?«
    »Eugenie Davies. Die Tote.« Noch während Leach sprach, erkannte er, was der Ausdruck im Gesicht des anderen zu bedeuten hatte. »Sie haben sie gekannt. Und unter diesem Namen. Sie haben sie gekannt, Mr. Pitchley?«
    »O Gott. Scheiße«, stöhnte Pitchley.
    Azoff sagte blitzschnell »Fünf Minuten Pause« zu seinem Mandanten.
    Bevor Pitchley antworten konnte, klopfte es, und gleich darauf streckte eine Beamtin den Kopf zur Tür herein. »Inspector Lynley ist am Telefon, Sir«, sagte sie zu Leach. »Jetzt oder später?«
    »Fünf Minuten«, sagte Leach kurz zu Pitchley und Azoff. Er nahm seine Papiere und ging hinaus.
    Das Leben war nicht ein Strom fortlaufender Entwicklung, obwohl es in genau dieser Verkleidung daherkam. In Wirklichkeit war das Leben ein Karussell. In der Kindheit sprang man auf den Rücken eines galoppierenden Ponys und begab sich auf eine Reise, in deren Verlauf, glaubte man, die Dinge sich ständig verändern würden. Aber in Wahrheit war das Leben eine endlose Wiederholung der immer gleichen Erlebnisse - ununterbrochen im Kreis ging es auf diesem Pony, immer hinauf und hinunter. Und wenn man sich den Herausforderungen, die einem unterwegs begegneten, nicht stellte, so traten sie einem bis ans Ende seiner Tage in dieser oder jener Form immer wieder in den Weg. Wenn J. W. Pitchley zuvor nicht so recht an diese Vorstellung geglaubt hatte, so war er jetzt davon überzeugt.
    Er stand draußen auf der Treppe vor dem Polizeirevier Hampstead und hörte sich einen hitzigen Monolog Jake Azoffs zum Thema Vertrauen und Wahrhaftigkeit in der Beziehung zwischen Anwalt und Mandant an. Azoff schloss mit den Worten: »Glauben Sie im Ernst, ich hätte auch nur einen Fuß in diese verdammte Polizeidienststelle gesetzt, wenn ich gewusst hätte, was Sie verheimlichen, Sie Wahnsinniger? Sie haben mich zum Narren gehalten. Ist Ihnen klar, wie sich das auf meine Glaubwürdigkeit bei den Bullen auswirkt?«
    Pitchley hätte am liebsten gesagt, im Moment gehe es überhaupt nicht um Azoff, aber er ließ es sein. Als er schwieg, fühlte sich der Anwalt ermutigt, verächtlich zu fragen: »Also, wie darf ich Sie für die restliche Zeit unserer geschäftlichen Beziehung nennen, Sir? Pitchley oder Pitchford?«
    »Pitchley ist absolut legal«, erwiderte J. W. Pitchley. »Ich habe meinen Namen gesetzlich ändern lassen, Jake.«
    »Kann schon sein«, gab Azoff zurück. »Aber ich möchte Gründe und Umstände vor achtzehn Uhr schriftlich auf meinem Schreibtisch haben, sei es per Fax, E-Mail, Kurier oder Brieftaube. Dann werden wir sehen, wie es mit unserer geschäftlichen Beziehung weitergeht.«
    J. W. Pitchley, alias James Pitchford, alias Die Zunge, nickte wie ein braver Junge, obwohl er genau wusste, dass das alles nur heiße Luft war. Jake Azoff, der eine so schauderhafte Art hatte, mit Geld umzugehen, hätte keinen Monat ohne einen fachmännischen Berater existieren können, der sich um seine Finanzen kümmerte. Wenn er jetzt Pitchley-Pitchford verstieße, der seit so vielen Jahren und mit so viel trickreicher Raffinesse seine Interessen auf dem Steuersektor wahrnahm, würde er sehr schnell in die gierigen Hände des Finanzamt fallen, was er natürlich keinesfalls wollte. Aber er musste Dampf ablassen, und J. W. Pitchley, vormals James Pitchford, konnte es ihm im Grunde nicht übel

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