11 - Nie sollst Du vergessen
hatte und tatsächlich aus dem Haus gegangen war und sie irgendetwas getan, auch nur ein einziges Blatt aufgelesen hatte.
Er schwang die Beine aus dem Bett und trank, auf der Kante sitzend, den restlichen Tee. Bei jeder Bewegung roch er den Schweiß in seinem Pyjama, dessen Stoff klamm an seiner Haut klebte. Er fühlte sich schwach, merkwürdig zittrig, als hätte er ein schweres Fieber durchgemacht, von dem er sich erst zu erholen begann.
Frances sagte: »Ich mache dir jetzt erst einmal ein ordentliches Frühstück, Malcolm, keine labberigen Cornflakes heute.«
»Ich muss duschen«, sagte er statt einer Antwort.
»Wunderbar. Dann habe ich gut Zeit.« Sie war schon auf dem Weg zur Tür.
»Fran«, sagte er, um sie aufzuhalten, und als sie stehen blieb:
»Das alles ist wirklich nicht nötig.«
»Nicht nötig?« Sie neigte den Kopf zur Seite. Das rote Haar - mit dem Mittel gefärbt, das er ihr einmal im Monat bei Boots holen musste, weil sie meinte, die Haarfarbe ihrer Tochter nachahmen zu können, was nie glückte - war sorgsam frisiert, und sie hatte den Gürtel ihres Morgenrocks zu einer tadellosen Schleife gebunden.
»Ich meine, lass es gut sein«, sagte er. »Du brauchst nicht -«
Was denn? Was brauchte sie nicht zu tun? Wenn er es aussprach, würde sie das auf einen Weg führen, den sie beide nicht betreten wollten. Er sagte also nur: »Du brauchst mich nicht zu verwöhnen. Die Cornflakes tun's auch.«
Sie lächelte. »Das weiß ich, Schatz. Aber ein richtiges Frühstück ab und zu ist doch was Schönes. Und du bist doch nicht in Eile, oder?«
»Der Hund muss noch raus.«
Ich gehe mit ihm, Malcolm. Aber genau das würde sie natürlich nicht sagen. Schon gar nicht nach den fehlgeschlagenen Plänen des gestrigen Tages bezüglich des Gartens. Zwei Niederlagen hintereinander wären eine allzu schwere Kränkung, das würde sie nicht riskieren. Webberly verstand es. Das war es ja, er hatte es immer verstanden! Darum war er auch jetzt nicht überrascht, als sie sagte: »Warten wir doch einmal ab, wie wir mit der Zeit hinkommen. Ich denke, sie wird reichen. Und wenn nicht, kannst du ja Alfies Spaziergang ein bisschen abkürzen. Er wird's überleben, wenn du mit ihm ausnahmsweise nur bis zur Ecke und zurück gehst.«
Sie gab ihm einen liebevollen Kuss auf den Scheitel und ging hinaus. Keine Minute später hörte er sie in der Küche rumoren. Sie begann zu singen.
Er stand vom Bett auf und schlurfte müde ins Badezimmer. Es roch muffig wie immer, vom verschimmelten Kitt rund um die Wanne und von den Stockflecken im Duschvorhang, der längst ausgewechselt hätte werden müssen. Webberly schob das Fenster ganz auf und stellte sich davor, um die feuchte Morgenluft einzuatmen, die einen langen, kalten und nassen Winter ankündigte. Er dachte an Spanien, Italien, Griechenland, an all die warmen sonnigen Gegenden der Welt, die er niemals sehen würde.
Ungeduldig schlug er sich die verlockenden Bilder aus dem Kopf, trat vom Fenster weg und zog seinen Pyjama aus. Er drehte das heiße Wasser auf, bis der Dampf in dichten Schwaden aus der Wanne aufstieg, ließ dann kaltes Wasser nachlaufen, um die Temperatur zu regulieren, und stieg ins Bad.
Während er sich einseifte, dachte er über die unbestreitbar vernünftige Frage seiner Tochter nach, warum er nicht darauf bestand, dass Frances sich wieder in psychiatrische Behandlung begab. Was konnte es schaden, Fran das vorzuschlagen? In den vergangenen zwei Jahren war nicht eine Bemerkung über ihre Schwierigkeiten über seine Lippen gekommen. Wäre es denn so verwerflich, wenn er sie jetzt, nach fünfundzwanzigjähriger Ehe und im Angesicht seines baldigen Rückzugs aus dem Berufsleben, darauf hinwiese, dass sie sich auf ein neues Leben würden einstellen müssen, und sie - Fran - sich Hilfe holen müsse, um mit ihrem Problem umgehen zu lernen, wenn sie gemeinsam dieses neue Leben mit allem, was es zu bieten hatte, genießen wollten? Wir wollen doch reisen, Frannie, könnte er sagen. Stell dir vor, ein Wiedersehen mit Spanien, denk an Italien, an Kreta. Ach was, wir könnten sogar alles hier verkaufen und aufs Land ziehen. Davon haben wir doch früher immer geträumt.
Ihr Mund würde sich bei seinen Worten zu einem Lächeln verziehen, doch in den Augen würde sich die beginnende Panik spiegeln. »Aber, Malcolm«, würde sie sagen, die Finger verkrampft - um den Rand ihrer Schürze, den Gürtel ihres Morgenrocks, die Manschette ihrer Bluse. »Aber, Malcolm!«
Vielleicht
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