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11 - Nie sollst Du vergessen

11 - Nie sollst Du vergessen

Titel: 11 - Nie sollst Du vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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nicht der erste Tag, an dem er einen Vorwand gefunden hatte, um nach Henley zu fahren und nach Eugenie zu sehen. Sie war wunderschön an diesem Tag, still wie immer, aber mit einer Ausstrahlung inneren Friedens, die er vorher noch nie wahrgenommen hatte. Er ruderte das Boot, sie saß ihm gegenüber, zurückgelehnt und halb zur Seite gedreht. Sie zog die Hand nicht durch das Wasser, wie manche Frauen das vielleicht um der hübschen Pose willen getan hätten, sondern blickte auf das Wasser, als wäre in seinen Tiefen etwas verborgen, auf dessen Erscheinen sie wartete. Licht und Schatten huschten über ihr Gesicht, während sie unter Bäumen dahinglitten.
    Unversehens hatte ihn die Gewissheit überfallen, dass er sie liebte. Nach zwölf Monaten reiner Freundschaft, mit Spaziergängen in der Stadt, Fahrten aufs Land, Mittagessen in Pubs, einem gelegentlichen gemeinsamen Abendessen und Gesprächen, echten Gesprächen, die sie einander näher gebracht hatten.
    »Als ich jung war, glaubte ich an Gott«, erzählte sie ihm. »Aber auf dem Weg zur Erwachsenen habe ich ihn verloren. Ich habe jetzt lange ohne ihn gelebt und würde ihn gern wieder finden.«
    »Selbst nach allem, was geschehen ist?«
    »Eben deswegen. Aber ich habe Angst, dass er mich nicht mehr haben will, Malcolm. Meine Sünden wiegen zu schwer.«
    »Du hast nicht gesündigt. Du könntest gar nicht sündigen.« »Wie kannst gerade du so etwas glauben? Jeder Mensch ist ein Sünder.«
    Aber Webberly konnte sie nicht als Sünderin sehen, ganz gleich, was sie über sich selbst sagte. Er sah nur Vollkommenheit und - letztlich - das, was er sich wünschte. Doch von seinen Gefühlen zu sprechen, wäre ihm wie Verrat in jeder Richtung erschienen. Er war verheiratet und hatte eine Tochter. Eugenie war anfällig und verletzlich. Trotz der Länge der Zeit, die seit der Ermordung ihrer Tochter verstrichen war, hätte er das Gefühl gehabt, er nütze ihre Schwäche aus.
    Deshalb sagte er nur: »Eugenie, weißt du, dass ich verheiratet bin?«
    Sie hob den Blick vom Wasser und sah ihn an. »Ich habe es vermutet.«
    »Warum?«
    »Deine Güte. Keine Frau wäre so töricht, einen Mann wie dich entwischen zu lassen. Möchtest du mir von deiner Frau und deinen Kindern erzählen?«
    »Nein.«
    »Oh. Was heißt das?«
    »Ehen gehen manchmal zu Ende.«
    »Ja.«
    »Wie deine.«
    »Ja. Meine Ehe ist zu Ende.« Sie richtete den Blick wieder auf das Wasser. Er fuhr fort zu rudern und beobachtete ihr Gesicht. Noch in hundert Jahren, wenn er längst blind wäre, würde er es in allen Einzelheiten aus dem Gedächtnis zeichnen können.
    Sie hatten ein Picknick mitgenommen, und als Webberly eine Stelle entdeckte, die ihm gefiel, steuerte er das Boot an die Uferböschung. »Warte hier«, sagte er, »ich mache das Boot erst fest.«
    Aber als er die feuchte Uferböschung hinaufstieg, rutschte er aus und schlitterte direkt ins Wasser. Wie ein begossener Pudel stand er da, während das Themsewasser kühl seine Oberschenkel umspülte. Das Bootsseil hing über seiner Hand, und der Schlick auf dem Grund des Flusses drang in seine Schuhe.
    »Um Gottes willen, Malcolm!«, rief Eugenie und setzte sich mit einem Ruck gerade hin. »Ist dir was passiert?«
    »Ich komme mir vor wie ein Idiot. Im Film läuft es nie so ab.«
    »Aber so ist es viel besser«, sagte Eugenie. Und bevor er etwas erwidern konnte, sprang sie aus dem Boot zu ihm ins Wasser.
    »Der Schlamm -«, begann er protestierend.
    »- fühlt sich herrlich an«, vollendete sie und begann zu lachen.
    »Du bist knallrot im Gesicht. Warum denn?«
    »Weil ich alles ganz perfekt haben wollte«, bekannte er.
    »Aber das ist es doch, Malcolm.«
    Er war verwirrt, wollte und wollte nicht, war sicher und unsicher. Sie kletterten die Böschung hinauf. Er zog das Boot ans Ufer und nahm die Tasche mit dem Picknick heraus. Sie suchten sich unter den Weiden einen Platz, der ihnen gefiel, und als sie sich niederließen, sagte sie: »Malcolm, ich bin bereit, wenn du es auch bist.«
    So hatte es angefangen.
    »Das Kind wurde also zur Adoption freigegeben«, schloss Barbara Havers ihren Vortrag, klappte ihr abgegriffenes Heft zu und kramte aus ihrer unförmigen Umhängetasche ein Päckchen Juicy-Fruit-Kaugummis, das sie in Chief Inspector Leachs Büro in Hampstead großzügig herumreichte. Eric Leach nahm ein Stäbchen, Lynley und Nkata lehnten dankend ab. Barbara schob sich selbst eines in den Mund und kaute energisch. Ersatz für die Zigaretten, dachte Lynley und

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