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11 - Nie sollst Du vergessen

11 - Nie sollst Du vergessen

Titel: 11 - Nie sollst Du vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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aber wenigstens war Schluss, bevor irgendein Leben zerstört wurde.«
    Helen durchschaute ihn wie immer. »Aber ganz sicher bist du nicht, stimmt's, Tommy?«
    »Sicher genug. Und darum wüsste ich nicht, inwiefern die Briefe heute relevant sein sollten.«
    »Es sei denn, die beiden hatten in letzter Zeit noch Kontakt.«
    Wegen dieser Überlegung hatte er Eugenie Davies' Computer mitgenommen. Er verließ sich auf Instinkt und Erfahrung, die ihm beide sagten, dass sein Chef ein anständiger Mensch war, der es im Leben nicht leicht hatte und dem es fern lag, anderen zu schaden, der aber in einem Moment der Schwäche, den er zweifellos noch heute bereute, der Versuchung erlegen war.
    »Er ist ein guter Mann«, sagte Lynley in den Spiegel, mehr zu sich selbst als zu seiner Frau.
    Die dennoch auf die Bemerkung einging. »Wie du. Und das erklärt vielleicht, warum er Inspector Leach gebeten hat, dich hinzuzuziehen. Du bist von seiner Anständigkeit überzeugt, darum wirst du versuchen, ihn zu schützen, ohne dass er dich ausdrücklich darum bitten muss.«
    Und genauso läuft es, dachte Lynley bedrückt. Vielleicht hatte Barbara doch Recht gehabt. Vielleicht hätte er die Briefe ausliefern und Malcolm Webberly seinem Schicksal überlassen sollen.
    Helen warf plötzlich die Bettdecke zurück und stürzte ins Badezimmer. Hinter der Tür begann sie zu würgen. Lynley betrachtete sich im Spiegel und versuchte, das Geräusch nicht zu hören.
    Wie leicht man sich etwas einreden konnte, wenn man nur bereit war, es zu glauben. Ein Gedanke, und aus Helens Übelkeit konnte ein verdorbener Magen werden, den sie sich gestern beim Mittagessen zugezogen hatte, weil das Hühnchen nicht mehr frisch gewesen war, oder die Grippe, die im Moment ohnehin grassierte, oder vielleicht eine nervöse Reaktion: Sie hatte im Lauf des Tages etwas Schwieriges zu erledigen, und ihr Körper reagierte auf die Angst. Oder, wenn man diese Überlegung bis zum Extrem weiterführen wollte, konnte man auch behaupten, sie hätte einfach generell Angst. So lange waren sie ja noch nicht zusammen, und sie hatte es mit ihm nicht so leicht wie er mit ihr. Es gab Unterschiede zwischen ihnen: in Erfahrung, Bildung und Alter. Und das alles hatte eine Bedeutung, auch wenn sie sich gern das Gegenteil eingeredet hätten.
    Helen war immer noch im Bad, und er hörte immer noch die schrecklichen Geräusche. Er zwang sich, wie ein erwachsener Mensch zu reagieren, und wandte sich vom Spiegel ab, um ins Bad zu gehen. Dort knipste er das Licht an, Helen hatte es in ihrer Hast vergessen. Sie hing, krampfhaft nach Luft schnappend, über der Toilette.
    »Helen?«, sagte er, brachte es aber nicht über sich, auch nur einen Schritt näher zu gehen.
    Er beschimpfte sich. Du egoistisches Schwein! Das ist die Frau, die du liebst. Geh zu ihr. Wisch ihr das Gesicht mit einem feuchten Tuch ab. Tu irgendwas, verdammt noch mal!
    Aber er konnte nicht. Er stand wie versteinert da, als hätte er das Haupt der Medusa gesehen, den Blick starr auf seine Frau gerichtet, die wie ein Häufchen Elend vor der Toilette kniete und sich übergab, das nunmehr tägliche Ritual zur Feier ihrer Vereinigung.
    »Helen?«, sagte er ein zweites Mal und hoffte, sie werde sagen, sie komme schon zurecht, sie brauche nichts. Er wartete darauf, dass sie ihn fortschicken würde.
    Sie drehte sich nach ihm um. Er konnte die Feuchtigkeit auf ihrem Gesicht erkennen. Und er wusste, sie erwartete von ihm, dass er etwas tun würde, was ihr seine Liebe und seine Besorgnis beweisen würde.
    Aber zu mehr als einer Frage reichte es nicht. »Soll ich dir irgendetwas bringen, Helen?«
    Sie hielt ihn mit ihrem Blick fest. Er nahm die feine Veränderung in Miene und Haltung wahr, als der Erkenntnis, dass er nicht zu ihr kommen würde, Verletztheit folgte.
    Sie schüttelte den Kopf und wandte sich ab. »Alles in Ordnung«, murmelte sie, mit den Händen den Rand der Toilette umklammernd.
    Und er nahm die Lüge erleichtert hin.
    Das Klirren von Porzellan weckte Malcolm Webberly in seinem Haus in Stamford Brook. Er öffnete die Augen und sah seine Frau, die ihm eben eine Tasse Tee auf den wackligen alten Nachttisch stellte.
    Die Hitze im Zimmer war erstickend. Das war der schlecht funktionierenden Zentralheizung und Frances' Weigerung zu verdanken, bei offenem Fenster zu schlafen. Sie konnte die Vorstellung kühler Nachtluft auf ihrem Gesicht nicht ertragen. Und sie hätte aus Angst vor Einbrechern die ganze Nacht kein Auge zugetan, wenn

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