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11 - Nie sollst Du vergessen

11 - Nie sollst Du vergessen

Titel: 11 - Nie sollst Du vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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ab.
    »Wieso kümmere ich mich überhaupt, hm, Gideon?«
    Sie eilte mit großen Schritten zum Haus. Ich folgte ihr, und erst da sah ich, dass die Haustür offen war und jemand vorn auf der Treppe stand, wahrscheinlich schon dort stand, seit Libby den Wagen auf dem Platz angehalten hatte. Sie bemerkte ihn im gleichen Moment wie ich, und zum ersten Mal nahm ich in ihrem Gesicht einen Ausdruck wahr, der mir verriet, dass ihre Abneigung gegen meinen Vater wahrscheinlich ebenso stark, wenn nicht stärker war, als seine gegen sie.
    »Vielleicht wäre es an der Zeit, dass Sie aufhören, sich zu kümmern«, sagte mein Vater. Sein Ton war durchaus freundlich, aber sein Blick war eisig.

GIDEON
20. Oktober, 22 Uhr
    »Eine reizende junge Dame«, sagte mein Vater. »Ist es ihre Gewohnheit, auf offener Straße herumzukeifen wie ein Fischweib, oder war das heute Abend eine Sondervorstellung?«
    »Sie war erregt.«
    »Das war offenkundig. Wie übrigens auch ihre Einstellung zu deiner Arbeit. Darüber solltest du vielleicht einmal nachdenken, wenn du vorhast, weiter mit ihr zu verkehren.«
    Ich wollte mich mit ihm nicht über Libby unterhalten. Er hat von Anfang an keinen Zweifel daran gelassen, was er von ihr hält. Es wäre sinnlose Energieverschwendung, eine Änderung seiner Meinung erreichen zu wollen.
    Wir waren in der Küche, wohin wir uns begeben hatten, nachdem Libby uns auf der Treppe stehen lassen hatte. »Aus dem Weg, Richard«, hatte sie gesagt und klirrend die Pforte zu ihrer Treppe aufgestoßen. Sie war hinuntergerannt in ihre Wohnung, aus der jetzt zur Untermalung ihres inneren Aufruhrs donnernde Popmusik erklang.
    »Wir waren bei Bertram Cresswell-White«, berichtete ich meinem Vater. »Erinnerst du dich an ihn?«
    »Ich habe mich vorhin in deinem Garten umgesehen«, antwortete er, mit einer Kopfbewegung zum rückwärtigen Teil des Hauses. »Das Unkraut nimmt langsam Überhand, Gideon. Wenn du es nicht vernichtest, wird es bald die wenigen anderen Pflanzen, die da sind, ersticken. Du kannst doch einen Filipino engagieren, wenn du zur Gartenarbeit keine Lust hast. Hast du dir das mal überlegt?«
    Aus Libbys Wohnung schallte immer noch laute Musik. Sie hatte ihre Fenster aufgemacht, und Teile des Textes waren zu verstehen. How can your man ... loves you ... slow down, bay-bee ...
    Ich sagte: »Dad, ich habe dich etwas -«
    »Ich habe dir übrigens zwei Kamelien mitgebracht.« Er ging zum Fenster, das in den Garten führte.
    ... let him know ... he 's playing around !
    Draußen war es dunkel, es war nichts zu sehen außer unseren Spiegelbildern im dunklen Glas. Das meines Vaters war klar; das meine geisterte umher, entweder unter dem Eindruck der Stimmung oder infolge meiner Unfähigkeit, klar in Erscheinung zu treten.
    »Ich habe sie rechts und links von der Treppe eingepflanzt«, fuhr mein Vater fort. »Die Blüten sind noch nicht ganz das, was mir vorschwebt, aber es wird schon noch werden.«
    »Dad, ich habe dich gefragt -«
    »Ich habe aus den beiden Töpfen das Unkraut herausgezogen, aber um den Rest des Gartens musst du dich selbst kümmern.«
    »Dad!«
    ... a chance to feel ... free to ... the feeling grab you, bay-bee ...
    »Du kannst ja deine amerikanische Freundin fragen, ob sie Lust hat, sich zur Abwechslung einmal nützlich zu machen, anstatt dich auf der Straße zu beschimpfen oder mit ihrer eigenwilligen Musikauswahl zu unterhalten.«
    »Verdammt noch mal, Dad! Ich habe dich etwas gefragt.«
    Er wandte sich vom Fenster ab. »Ich habe die Frage gehört. Und -«
    . .. love him. Love him, baby. Love him.
    »- wenn ich nicht mit dem Ohrenschmaus konkurrieren müsste, den deine kleine Amerikanerin uns hier serviert, würde ich sie vielleicht sogar beantworten.«
    »Dann ignorier doch die Musik!«, rief ich. »Ignorier Libby. Du bist doch sonst Meister darin, alles zu ignorieren, womit du dich nicht befassen willst.«
    Die Musik brach plötzlich ab, als wäre ich gehört worden. Das Schweigen, das meiner Frage folgte, schuf ein Vakuum, und ich wartete gespannt, wie es gefüllt werden würde. Einen Moment später flog Libbys Wohnungstür krachend zu. Dann sprang draußen donnernd die Suzuki an und heulte auf, als Libby wütend Vollgas gab. Sie brauste davon, und das Geräusch des Motors verklang in der Ferne.
    Mein Vater stand mit verschränkten Armen und sah mich an.
    Wir hatten gefährlichen Boden betreten, und ich spürte die Gefahr wie knisternde Hochspannung zwischen uns.
    Doch er sagte ganz ruhig: »Ja.

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