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11 - Nie sollst Du vergessen

11 - Nie sollst Du vergessen

Titel: 11 - Nie sollst Du vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Wort. Und als sie draußen vor dem Haus standen, im kalten Wind, der vom Fluss herauf durch die Straße fegte, sagte Helen nur: »Na ja.« Sie sagte es zu sich selbst und nicht zu ihm, und ihr Gesicht drückte Traurigkeit und Erschöpfung aus. Lynley konnte nicht erkennen, was überwog, aber er hatte eine Ahnung.
    »Ist es denn zu früh passiert?«, fragte Helen.
    Er gab nicht vor, sie nicht zu verstehen. »Nein. Nein! Natürlich nicht.«
    »Was dann?«
    Er suchte nach einer möglichen Erklärung; einer Erklärung, mit der sie beide leben könnten, die ihn nicht eines Tages verfolgen und quälen würde. »Ich möchte ihnen nicht wehtun«, sagte er. »Ich stelle mir ihre Gesichter vor, wie sie Freude vortäuschen, und es sie innerlich beinahe zerreißt vor Schmerz und Wut über die Ungerechtigkeit.«
    »Das Leben ist voller Ungerechtigkeiten, Tommy. Das musst du doch am besten wissen. Man kann es nicht jedem recht machen. So wenig, wie man in die Zukunft sehen kann. Wir wissen nicht, was auf sie wartet. Wir wissen nicht, was auf uns wartet.«
    »Das weiß ich.«
    »Dann -«
    »Aber so einfach ist es nicht, Helen. Auch wenn ich das weiß, kann ich nicht einfach über ihre Gefühle hinweggehen.«
    »Und was ist mit meinen Gefühlen?«
    »Sie sind mir das Wichtigste überhaupt. Helen, du bist alles für mich.« Er zog sie an sich, schloss den obersten Knopf ihres Mantels und schob den Schal um ihren Hals etwas höher. »Komm, raus aus der Kälte. Bist du mit dem Auto hier? Wo steht dein Wagen?«
    »Ich möchte mit dir darüber sprechen. Du benimmst dich, als ob ...« Sie sprach nicht weiter. Es gab nur eine Möglichkeit, es zu sagen - direkt. Es gab keine Metapher, zu beschreiben, was sie fürchtete, und er wusste es.
    Er wollte sie beruhigen, aber das konnte er nicht. Er hatte Freude erwartet, Aufregung, er hatte die Verbundenheit gemeinsamen Glücks erwartet, aber nicht Schuldgefühle und Schrecken: die Erkenntnis, dass er die Toten begraben musste, bevor er die Lebenden mit offenen Armen empfangen konnte.
    »Komm, fahren wir nach Hause«, sagte er. »Es war ein langer Tag, und du brauchst Ruhe.«
    »Mehr als Ruhe, Tommy«, entgegnete sie und wandte sich von ihm ab.
    Er sah ihr nach, wie sie zum Ende der Straße ging, wo sie vor dem King's Head and Eight Bells ihren Wagen geparkt hatte.
    Malcolm Webberly legte den Hörer auf. Viertel vor zwölf, er hätte sie nicht anrufen sollen, aber er hatte es nicht lassen können. Er hatte nicht auf die Vernunft gehört, die ihm gesagt hatte, dass es spät war, dass die beiden gewiss schon schlafen würden, dass auf jeden Fall Helen im Bett wäre, auch wenn Tommy um diese Zeit noch arbeiten sollte, und über einen mitternächtlichen Anruf nicht erfreut wäre. Den ganzen Tag hatte er auf Nachricht gewartet, und als er bis zum Abend nichts gehört hatte, war ihm klar gewesen, dass er nicht würde schlafen können, solange er nicht mit Lynley gesprochen hatte.
    Er hätte Eric Leach anrufen und um einen Bericht über den neuesten Stand der Ermittlungen bitten können. Eric hätte ihm alles geliefert, was er auf Lager hatte. Aber Eric hineinzuziehen, das hätte die Erinnerungen auf eine Art lebendig gemacht, wie er es sich nicht erlauben konnte. Denn Eric war dem Geschehen zu nahe gewesen. Er war dabei gewesen, als es begonnen hatte in dem Haus in Kensington; er war bei nahezu jeder Vernehmung dabei gewesen, die er - Webberly - geleitet hatte, und er hatte vor Gericht ausgesagt. Er war dabei gewesen, hatte direkt neben Webberly gestanden, als dieser den ersten Blick auf das tote Kind geworfen hatte. Leach war damals ein unverheirateter Mann gewesen, der keine Ahnung hatte, was es bedeutete, ein Kind zu verlieren, über einen solchen Verlust auch nur nachzudenken.
    Er aber hatte an seine kleine Tochter Miranda denken müssen, als er den leblosen Körper des Kindes auf dem Obduktionstisch liegen sah, und war voller Entsetzen zurückgezuckt beim ersten Schnitt, dieser charakteristischen Y-Inzision, die sich nicht beschönigen ließ, sondern immer blieb, was sie war: eine zwar notwendige, aber brutale Verstümmelung. Nur mit Mühe hatte er einen Aufschrei des Protests darüber zurückgehalten, dass eine solche Grausamkeit durchgeführt werden musste, wo schon genug Grausamkeit verübt worden war.
    Aber zu Sonia Davies war nicht nur der Tod grausam gewesen, sondern auch das Leben, die Natur, die sie fehlerhaft erschaffen hatte.
    Er hatte die Krankenberichte gesehen, über die Folgen von

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