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11 - Nie sollst Du vergessen

11 - Nie sollst Du vergessen

Titel: 11 - Nie sollst Du vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Operationen und Erkrankungen gelesen, die dieses kleine Mädchen in den ersten zwei Jahren seines Lebens hatte aushaken müssen. Mit Dankbarkeit hatte er an seine Tochter gedacht, die ein Wunder an Gesundheit und Lebenskraft war, und sich gefragt, wie Menschen damit fertig wurden, wenn das Schicksal ihnen etwas bescherte, was ihnen weit mehr abverlangte, als sie je für möglich gehalten hatten.
    Eric Leach hatte sich offensichtlich die gleichen Gedanken gemacht. »Ich verstehe, dass sie eine Kinderfrau brauchten«, hatte er gesagt. »Das war alles zu viel, noch dazu mit einem Großvater, der nicht alle Tassen im Schrank hat, und einem Sohn, der ein zweiter Mozart ist oder so was. Aber warum haben sie nicht eine gelernte Kraft für das Kind engagiert? Sie hätten eine Kinderschwester gebraucht, nicht ein Flüchtlingsmädchen.«
    »Ja, das war eine schlechte Entscheidung«, hatte Webberly zustimmend gesagt. »Und jetzt bekommen sie die Strafe dafür. Aber weder das Gericht noch die Presse kann sie so hart bestrafen, wie sie selbst sich bestrafen werden.«
    »Es sei denn ...« Leach sprach nicht weiter. Er blickte zu Boden und trat von einem Fuß auf den anderen.
    »Es sei denn, was, Sergeant?«
    »Es sei denn, sie haben diese Entscheidung ganz bewusst getroffen. Weil sie sachkundige Pflege für das Kind gar nicht wollten. Aus ganz persönlichen Gründen.«
    Webberly versuchte nicht, seine Empörung zu verbergen. »Sie wissen ja nicht, was Sie da reden. Warten Sie, bis Sie selber Kinder haben, dann werden Sie wissen, wie das ist. Nein. Ich sag's Ihnen gleich. Es ist so, dass man am liebsten jeden umbringen würde, der sie nur schief ansieht.«
    Und genauso fühlte er sich, als im Lauf der folgenden Wochen die Informationen immer präziser wurden: bereit, zu töten. Weil es ihm nicht gelang, Abstand zu finden, und weil er in dem fremden Kind immer seine kleine Tochter Miranda sah, die zu dieser Zeit mit ihrem zerfledderten Plüschesel im Arm durchs ganze Haus zu laufen pflegte. Überall witterte er plötzlich Gefahren für sie. In jedem Winkel lauerte etwas, das sie ihm rauben und ihm das Herz brechen konnte. Da war das Bedürfnis entstanden, Sonia Davies' Tod zu rächen, als ein Mittel, für die Sicherheit seines eigenen Kindes zu sorgen. Wenn ich ihre Mörderin vor den Richter bringe, sagte er sich, werde ich mit meiner Rechtschaffenheit Gottes Schutz für Randie erkaufen.
    Natürlich hatte er zu Beginn nicht gewusst, dass es eine Mörderin gab. Wie alle anderen hatte er geglaubt, ein Moment der Fahrlässigkeit hätte zu der Tragödie geführt, die alle Betroffenen auf ewig verfolgen würde. Aber als bei der Obduktion die alten Frakturen entdeckt wurden und bei genauerer Untersuchung die Quetschungen an Schultern und Hals, die darauf hindeuteten, dass das Kind unter Wasser gedrückt und ertränkt worden war, war bei ihm der Wunsch nach Vergeltung erwacht. Vergeltung für den Tod dieses unvollkommen geborenen Kindes. Vergeltung im Namen der Mutter, die dieses Kind zur Welt gebracht hatte.
    Augenzeugen gab es keine, die Beweise waren dünn.
    Das beunruhigte Leach, aber nicht Webberly. Der Tatort erzählte ja seine eigene Geschichte, und er wusste, dass er diese Geschichte verwenden konnte, um eine Theorie zu stützen, die sich rasch entwickelte. Da war einmal die Wanne mit der völlig unberührt wirkenden Seifenschale, die der Behauptung widersprach, dass hier ein Kindermädchen, zu Tode erschrocken, ihren Schützling im Wasser versunken gesehen und verzweifelt um Hilfe gerufen hatte, während sie das kleine Mädchen aus der Wanne gezogen und versucht hatte, es zu retten. Da waren die Medikamente - ein ganzer Apothekerschrank voll - und, später, die umfangreichen ärztlichen Berichte, die genug darüber aussagten, welch eine Belastung es war, ein Kind wie Sonia betreuen zu müssen. Da waren die Streitigkeiten zwischen dem Kindermädchen und den Eltern, die von allen anderen Mitgliedern des Haushalts bestätigt worden waren. Und es gab die Aussagen der Eltern, des älteren Kindes, der Großeltern, der Lehrerin, der Freundin, die das Kindermädchen am fraglichen Abend angeblich angerufen hatte, und des Untermieters, der Einzige, der jedes Gespräch über die junge Deutsche zu vermeiden suchte. Und dann war da Katja Wolff selbst, die nach einer ersten Aussage unglaublicherweise beharrlich geschwiegen hatte.
    Da sie nicht zu sprechen bereit war, musste er sich auf die Aussagen anderer verlassen, die mit ihr zusammenlebten.

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