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11 - Nie sollst Du vergessen

11 - Nie sollst Du vergessen

Titel: 11 - Nie sollst Du vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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unzählige Feindseligkeiten mehr oder weniger subtiler Art hinnehmen zu müssen. Selbst bei der Metropolitan Police, wo er geglaubt hatte, dass Leistung mehr zählte als Hautfarbe, hatte er lernen müssen, vorsichtig zu sein. Nie hatte er andere zu nahe an sich herangelassen, nie hatte er sich ganz geöffnet; er wollte nicht hinterher dafür bezahlen müssen, dass er geglaubt hatte, vertrauter Umgang bedeute, als gleichwertig akzeptiert zu sein. So war es nicht, ganz gleich, wie die Verhältnisse sich dem uneingeweihten Beobachter darstellten. Und ein Schwarzer tat gut daran, das nicht zu vergessen.
    Aufgrund dieser persönlichen Erfahrungen glaubte Nkata sich seit langem dagegen gefeit, mit anderen ähnlich umzuspringen, wie mit ihm immer wieder umgesprungen wurde. Aber nach dem morgendlichen Gespräch mit Yasmin Edwards und ihrer Freundin hatte er sich eingestehen müssen, dass er nicht besser war als alle anderen, sondern ebenso engstirnig und in seiner Engstirnigkeit ebenso fähig, sich zu vorschnellem Urteil verleiten zu lassen, wie es der ungebildetste, fanatischste Anhänger der Nationalen Front tat.
    Er hatte sie zusammen gesehen. Er hatte beobachtet, wie sie einander begrüßt, wie sie miteinander gesprochen hatten und vertraut wie ein Paar miteinander die Straße hinuntergegangen waren. Er hatte gewusst, dass die Deutsche mit einer Frau zusammenlebte. Und prompt hatte er seiner Phantasie freien Lauf gelassen, als die beiden in der Galveston Road verschwunden waren und er am Fenster den Schatten zweier einander umarmender Frauen gesehen hatte. Eine Lesbe, die sich mit einer Frau traf und mit ihr in eine private Wohnung zurückzog, das konnte nur eines bedeuten, hatte er gemeint. Und er hatte sich bei seinem Gespräch mit Yasmin Edwards und Katja Wolff allein von dieser Meinung leiten lassen.
    Hätte er nicht ohnehin gleich danach gemerkt, dass er alles vermasselt hatte, so wäre es ihm spätestens in dem Moment klar geworden, als er die Nummer auf der Geschäftskarte anrief, die Katja Wolff ihm mitgegeben hatte. Harriet Lewis bestätigte die Aussage: Ja, sie sei Katja Wolffs Rechtsanwältin. Ja, sie habe am vergangenen Abend eine Verabredung mit ihr gehabt. Ja, sie seien zusammen in der Galveston Road gewesen.
    »Und Sie sind nach einer Viertelstunde wieder gegangen?«, fragte Nkata.
    »Was wollen Sie eigentlich, Constable?«, erwiderte Harriet Lewis darauf.
    »Was hatten Sie in der Galveston Road zu tun?«, fragte er weiter.
    »Das geht Sie nun wirklich nichts an«, versetzte die Anwältin, genau wie Katja Wolff es vorausgesagt hatte.
    Er versuchte es weiter. »Wie lange ist sie schon Ihre Mandantin?«
    »Das Gespräch ist beendet«, sagte sie. »Ich bin für Miss Wolff tätig, nicht für Sie.«
    Am Ende wusste er nur noch, dass er alles falsch gemacht hatte. Und nun würde er sich ausgerechnet vor dem Menschen rechtfertigen müssen, der sein großes Vorbild war: Inspector Thomas Lynley. Als der Verkehr vor der Vauxhall-Brücke zum Stillstand kam, während rundherum Sirenen heulten und Blaulichter blinkten, war er nicht nur für die Ablenkung dankbar, die so ein Verkehrschaos bot, sondern auch für die Frist, die ihm so geschenkt wurde, darüber nachzudenken, wie er die Geschichte seines Versagens präsentieren sollte.
    Jetzt blickte er an der Fassade der Polizeidienststelle Hampstead empor und stieg widerwillig aus seinem Wagen. Er ging ins Haus, zeigte seinen Dienstausweis und trat den Bußgang an, den er sich durch sein Handeln selbst auferlegt hatte.
    Sie waren im Besprechungsraum, wo man gerade zum Ende der morgendlichen Lage kam. Auf der Porzellantafel waren die Aufgaben für den Tag aufgeführt sowie die Namen der Männer und Frauen, denen sie zugeteilt waren. Das bedrückte Schweigen unter den Beamten, als sie aufbrachen, verriet Nkata, dass sie gehört hatten, was Webberly zugestoßen war.
    Lynley und Barbara Havers blieben zurück. Sie waren dabei, irgendwelche Computerausdrucke zu vergleichen, als Nkata zu ihnen trat.
    »Tut mir Leid«, sagte er. »Ich hab vor der Vauxhall-Brücke ewig im Stau gestanden.«
    Lynley blickte ihn über die Ränder seiner Brillengläser an. »Ah, Winston! Wie ist es denn gelaufen?«
    »Nichts zu machen, Sir. Die sind beide bei ihren Aussagen geblieben.«
    »Mist!«, knurrte Barbara.
    »Haben Sie mit der Edwards allein gesprochen?«, fragte Lynley.
    »Das war gar nicht nötig. Die Frau, mit der die Wolff sich gestern Abend getroffen hat, war ihre Anwältin, Inspector.

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