11 - Nie sollst Du vergessen
Nkata deutlich den unausgesprochenen Tadel zu hören, der in Lynleys Entscheidung lag, ihn über eine offensichtlich neue Erkenntnis, die er und Barbara gesichert hatten, im Unklaren zu lassen. Er sah ein, dass er es nicht anders verdient hatte - er hatte ja weiß Gott bewiesen, dass er nicht über den Sachverstand und die Kompetenz verfügte, um mit wichtigen neuen Erkenntnissen richtig umzugehen -, aber er hatte doch geglaubt, bei seinem Bericht über das schief gelaufene Gespräch vorsichtig genug gewesen zu sein, um nicht als kompletter Versager dazustehen. Doch da hatte er sich offenbar geirrt.
Zutiefst niedergeschlagen sagte er: »Inspector, wollen Sie, dass ich abgebe?«
»Abgeben? Was denn, Winston?«
»Na, den Fall. Sie wissen schon. Wenn ich nicht mal eine simple Befragung durchführen kann, ohne alles zu verpfuschen ...«
Lynley sah ihn so verdutzt an, dass Nkata klar war, er würde das eingestehen müssen, was er lieber für sich behalten hätte. Den Blick auf Barbara gerichtet, die in ihre kleine Rostlaube geklettert war und jetzt den müden alten Motor des Mini hochjagte, sagte er: »Ich meine, Sie finden ja vielleicht, wenn ich nicht mit den Fakten umgehen kann, die ich habe, ist es besser, mir gar nicht erst alles zu sagen. Aber dann wäre ich natürlich nur lückenhaft informiert, und meiner Arbeit täte das bestimmt nicht gut. Womit ich nicht sagen will, dass ich mich heute Morgen mit Ruhm bekleckert hätte ... Also, mit anderen Worten ... Wenn's Ihnen lieber ist, lass ich die Finger von dem Fall ... Ich will nur sagen, dass ich das verstehen kann. Ich hätte sehen müssen, wie man diese beiden Frauen anpackt. Statt mir einzubilden, ich wüsste schon alles, hätte ich daran denken müssen, dass es vielleicht etwas gibt, das ich nicht sehe. Aber das hab ich nicht getan. Und drum hab ich die Sache in den Sand gesetzt und -«
»Winston«, unterbrach Lynley ihn mit Entschiedenheit.
»Asche aufs Haupt ist in Ordnung, aber die neunschwänzige Katze können Sie im Schrank lassen.«
»Was?«
Lynley lächelte. »Sie haben eine glänzende Karriere vor sich, Winston. Keine Flecken auf der weißen Weste wie wir anderen. Ich möchte gern dafür sorgen, dass es so bleibt. Verstehen Sie mich?«
»Wie? Sie meinen, wenn ich noch mal pfusche, käme es zu einer förmlichen -«
»Nein, aber nein. Ich möchte einfach, dass Sie sauber bleiben, Winston. Für den Fall, dass ...« Lynley schien nach einer Wendung zu suchen, die erklären würde, ohne zu enthüllen. Schließlich sagte er: »Falls man unser Vorgehen später kritisch überprüfen sollte, möchte ich allein dafür verantwortlich sein«, und er sagte es so vorsichtig, dass Nkata hörte, wie heikel die Angelegenheit war, und nur noch Lynleys Worte mit Barbaras unbedachter Bemerkung in Verbindung zu bringen brauchte, um zu begreifen.
»Heiliger Strohsack!«, rief er ungläubig. »Sie wissen was und rücken nicht raus damit?«
»Gute Arbeit, Winston«, sagte Lynley trocken. »Von mir haben Sie das aber nicht gehört.«
»Weiß Barb Bescheid?«
»Nur weil sie dabei war. Die Verantwortung trage ich, Winston. Und ich möchte gern, dass es so bleibt.«
»Könnte es eine Spur zum Killer sein?«
»Ich glaube es nicht. Aber ja, möglich wäre es.«
»Ist es Beweismaterial?«
»Darüber wollen wir lieber nicht sprechen.«
Nkata traute seinen Ohren nicht. »Dann müssen Sie es weitergeben, Inspector! Es ist doch Teil der Beweiskette! Sie können es nicht einfach unterschlagen, weil Sie glauben - was glauben Sie überhaupt?«
»Dass die beiden Fahrerfluchtfälle in einem Zusammenhang stehen. Aber ich muss genau wissen, welcher Art der Zusammenhang ist, bevor ich etwas unternehme, das womöglich das Leben eines Menschen zerstören könnte.
Genauer: das, was davon geblieben ist. Es ist meine Entscheidung, Winston. Und in Ihrem eigenen Interesse sollten Sie jetzt keine weiteren Fragen stellen.«
Nkata starrte seinen Helden immer noch fassungslos an. Dass ausgerechnet Lynley sich auf so zweifelhaftes Terrain begab! Er wusste, dass er nur beharrlich genug bohren müsste, um ebenfalls dort zu landen, aber er war zu ehrgeizig, um den klugen Rat des Inspectors einfach in den Wind zu schlagen. Trotzdem sagte er:
»So sollten Sie das nicht angehen.«
»Einspruch zur Kenntnis genommen«, entgegnete Lynley.
17
Libby Neal beschloss, sich wegen Grippe krank zu melden. Ihr war klar, dass Rock Peters einen Tobsuchtsanfall bekommen und ihr drohen würde, ihren
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