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11 - Nie sollst Du vergessen

11 - Nie sollst Du vergessen

Titel: 11 - Nie sollst Du vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Ruhe das Spiel anschauen. So hatte er die Kleine insgeheim genannt - das Gör -, aber so hatte er es in Wirklichkeit nicht gemeint, hätte es nie gesagt. Er lachte sie immer an, wenn er sie mit ihrer Mutter im Supermarkt traf. Nie dachte er da »das Gör«, immer nur: Ach, da ist ja Sherry mit ihrer Mama. »Hallo, Schnuppel.« Er hatte nämlich seinen eigenen albernen kleinen Spitznamen für sie: Schnuppel.
    Nun war sie plötzlich tot, und die Bullen rückten an. Fragen und Antworten und Tränen. Und was für ein Monster musste er sein, dass er sich Arsenal angeschaut hatte, während ein kleines Kind gestorben war, und das Ergebnis des Spiels bis auf den heutigen Tag im Kopf hatte.
    Natürlich gab es Klatsch, natürlich gab es Gerüchte. Beides spornte ihn nur umso mehr an in seinem Bestreben, seinem Zuhause und seiner Familie für immer den Rücken zu kehren. Und dieses für immer hatte er geglaubt, erreicht zu haben, eine Art ewigen Paradieses in Gestalt eines herrschaftlichen Hauses in Kensington mit einer Fassade, wie man sie bei den alten holländischen Kaufmannshäusern sah, und einem Medaillon mit der Jahreszahl 1876 unter dem Giebel. Die Leute, die in diesem Haus lebten, waren zu seiner Genugtuung von ebensolcher Klasse wie das Viertel. Ein Kriegsheld, ein musikalisches Wunderkind, eine, wer sagt's denn, waschechte Gouvernante für dieses Kind, eine ausländische Kinderfrau ... Welch ein Unterschied zu dem Leben, das er bisher gekannt und das ihn von Tower Hamlets über ein Ein-Zimmer-Apartment in Hammersmith sowie durch endlose teure Schulen geführt hatte, wo er von den Tischmanieren - dass man beispielsweise das Essen nicht mit den Fingern auf die Gabel schob, sondern das Messer dazu benutzte - bis zur kultivierten Ausdrucksweise - etwa wie man »haricots verts« aussprach - so ziemlich alles lernte, was dem gesellschaftlichen Fortkommen diente. Und so kam es, dass am Kensington Square, als er schließlich dort landete, niemand wusste, woher er kam. Am wenigsten Katja, der die englischen Klassenkriterien überhaupt nichts sagten.
    Aber dann war sie schwanger geworden, und im Gegensatz zu seiner Mutter, für die ihre Schwangerschaften nichts weiter gewesen waren als kleine Unannehmlichkeiten, die sie zwangen, ein paar Monate lang unförmige Kleider zu tragen, hatte Katja gelitten, so dass es ihr unmöglich gewesen war, ihren Zustand zu verheimlichen. Und durch diese Schwangerschaft war das ganze spätere Unglück heraufbeschworen worden, einschließlich der Enthüllung seiner eigenen Vergangenheit, die wie die Kloake, die sie war, sein Leben am Kensington Square zu vergiften drohte.
    Trotzdem hatte er geglaubt, aufs Neue entfliehen zu können. James Pitchford, dessen Vergangenheit wie ein Damoklesschwert über ihm hing, hatte nur darauf gewartet, von sämtlichen Sensationsblättern als »Der Untermieter, gegen den einst im Zusammenhang mit einem plötzlichen Kindstod ermittelt wurde« angeprangert und als Jimmy Pytches entlarvt zu werden, den armseligen Narren aus den Slums, der unbedingt etwas Besseres sein wollte. Also hatte er sich von neuem verwandelt und war in die Haut J. W. Pitchleys geschlüpft, Finanzgenie und Börsenspezialist. Aber immer auf der Flucht, immer bereit zu fliehen.
    Darum war er nun hier in Tower Hamlets gelandet: ein Mann, der endlich begriffen hatte, dass er drei Möglichkeiten hatte, dem zu entrinnen, was er nicht ertragen konnte: Er könnte sich das Leben nehmen; er könnte aufs Neue seine Identität wechseln; oder er könnte bis in alle Ewigkeit fliehen, nicht nur aus seiner Heimatstadt London, sondern vor allem, wofür London - und England - stand.
    Er stellte den Porsche in der Nähe des Hochhauses ab, in dem er als Kind gelebt hatte. Hier hatte sich kaum etwas verändert. Auch die herumlungernden Skinheads gab es noch, drei waren es, die in der Türnische eines Ladens lümmelten und rauchten, während sie ihn und sein Auto mit demonstrativer Aufmerksamkeit beobachteten.
    »Hey«, rief er sie an, »wollt ihr euch zehn Pfund verdienen?«
    Einer von ihnen spie einen Klumpen gelben Schleims auf die Straße. »Jeder?«, fragte er.
    »In Ordnung. Jeder.«
    »Und - was sollen wir dafür tun?«
    »Auf meinen Wagen aufpassen. Darauf achten, dass keiner ihn anrührt. Okay?«
    Sie zuckten die Achseln. Pitchley nahm es als Zusage. Er nickte ihnen zu. »Zehn jetzt, zwanzig später.«
    »Her damit«, sagte der Anführer der drei und kam schlurfend auf ihn zu, um sich das Geld zu

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