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11 - Nie sollst Du vergessen

11 - Nie sollst Du vergessen

Titel: 11 - Nie sollst Du vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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der die Yuppies in ihren Range Rovers und mit ihrem ehrgeizigen Bemühen, immer im Trend zu liegen, in Scharen anlockte und so eine Renaissance des Viertels einleitete. Das Wort Renaissance implizierte, dass ein Ort einst bessere Zeiten gesehen hatte, die mit einer kräftigen Finanzspritze aufs Neue belebt werden konnten. Tower Hamlets jedoch war in Pitchleys Augen immer schon der Arsch der Welt gewesen, bereits von dem Moment an, als der Grundstein zum ersten seiner hässlichen Häuser gelegt worden war.
    Beinahe so lange er lebte, versuchte er, den Gestank von Tower Hamlets loszuwerden. Von seinem neunten Lebensjahr an hatte er gearbeitet wie ein Tier und von seinem Lohn so viel wie irgend möglich für eine Zukunft auf die Seite gelegt, die er erstrebte, aber nicht recht definieren konnte. Er hatte sich hänseln und schikanieren lassen in der Schule, wo das Lernen zweitrangig war, weil es wichtiger war, die Lehrer zur Weißglut zu treiben, uraltes und nahezu unbrauchbares Lehrmaterial zu demolieren, jede frei Fläche zu beschmieren, die Mädchen im Treppenhaus zu bumsen, in den Papierkörben Feuer zu legen und zu klauen, was es zu klauen gab, vom Taschengeld der Drittklässler bis zu dem Geld, das jedes Jahr zu Weihnachten für die obdachlosen Wermutbrüder des Viertels gesammelt wurde. In dieser Umgebung eingesperrt, hatte er sich gezwungen zu lernen und gierig alles aufgesogen, von dem er hoffte, es könne ihm helfen, aus dem Inferno zu fliehen, in das er sich zur Strafe für eine Sünde, die er in einem früheren Leben begangen hatte, verbannt sah.
    In seiner Familie verstand niemand seinen Wunsch zu entkommen. Seine Mutter - nie verheiratet - hockte den ganzen Tag am Fenster ihrer Sozialwohnung und qualmte eine Zigarette nach der anderen, kassierte die Sozialhilfe, als wäre der Staat sie ihr schuldig dafür, dass sie ihm und seinen Bürgern den Gefallen tat, zu atmen, zog die sechs Kinder groß, die sie mit vier Männern gezeugt hatte, und fragte sich laut, wie sie es fertig gebracht hatte, so einen Duckmäuser wie Jimmy in die Welt zu setzen, immer sauber und adrett, als glaubte er, was Besseres zu sein.
    »Schaut ihn euch an!«, pflegte sie zu seinen Geschwistern zu sagen. »Immer wie aus dem Ei gepellt, unser Jimmy. Was haben wir denn heute vor, junger Herr?« Und dabei musterte sie ihn von oben bis unten. »Auf, auf zum fröhlichen Jagen, hoch zu ROSS und mit der Meute?«
    »Ach Mensch, Mama« pflegte er dann zu sagen, verlegen und unglücklich.
    »Is' ja okay, Kleiner. Brauchst uns nur einen von den niedlichen Kötern mitbringen, der kann dann unsern Palazzo hier bewachen. Wär doch gut, Kinder, was meint ihr? Was würdet ihr dazu sagen, wenn unser Jimmy uns einen Hund organisiert?«
    »Mama, ich geh doch überhaupt nicht auf die Fuchsjagd«, sagte er.
    Und dann schütteten sie sich alle aus vor Lachen, und er hätte die ganze Bande am liebsten mit Fäusten geprügelt.
    Seine Mutter war am schlimmsten, sie gab den Ton an. Sie war vielleicht einmal ganz gescheit gewesen. Sie war vielleicht einmal unternehmungslustig gewesen. Sie hätte vielleicht etwas aus ihrem Leben machen können. Aber sie ließ sich mit fünfzehn Jahren ein Kind anhängen - Jimmy -, und dann fand sie heraus, dass man für Kinder kassieren konnte, wenn man nur eines nach dem anderen produzierte. Kindergeld nannte man das. Fesseln, so nannte es Jimmy Pytches.
    Und darum machte er die Vernichtung seiner Vergangenheit zu seinem Lebensziel und nahm, sobald er alt genug war, jede Arbeit an, die er bekommen konnte. Was für eine Arbeit das war, interessierte ihn überhaupt nicht - Fenster putzen, Böden schrubben, Teppiche saugen, Hunde spazieren führen, Autos waschen, Babysitten, er machte alles. Es war ihm völlig egal. Hauptsache, er wurde dafür bezahlt. Natürlich konnte er sich mit dem Geld keine andere Familie kaufen, aber es war ein Mittel, der Familie zu entrinnen, die ihn zu ersticken drohte.
    Dann ereignete sich dieser plötzliche Kindstod. Er ging ins Kinderzimmer, weil sie viel länger schlief als sonst. Und da lag sie wie eine Plastikpuppe, ein gekrümmtes Händchen am geöffneten Mund, als hätte sie sich selbst beim Atmen helfen wollen. Die winzigen kleinen Fingernägel waren blau unterlaufen, so blau, dass er sofort wusste, dass sie tot war. Und dabei hatte er doch die ganze Zeit im Wohnzimmer gesessen, gleich nebenan. Er hatte sich das Arsenal-Spiel angeschaut. Klasse, hatte er gedacht, das Gör pennt, und ich kann mir in

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