Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
11 - Nie sollst Du vergessen

11 - Nie sollst Du vergessen

Titel: 11 - Nie sollst Du vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
Vom Netzwerk:
waren ihm nach diesem Erlebnis ein Gräuel gewesen. Und die Vorstellung, selbst eines in die Welt zu setzen ... Je älter er wurde, desto klarer wurde ihm, dass er dieses Drama nicht ein zweites Mal in seinem Leben brauchte.
    Er trat zum Spülbecken und drehte den Hahn auf. Ein kühler Schluck oder ein paar Hände voll Wasser ins Gesicht gespritzt, das würde die Erinnerung vielleicht vertreiben. Als er nach einem Glas griff, hörte er draußen die Tür aufgehen und einen Mann sagen: »Da hast du mal wieder den totalen Mist gebaut. Wie oft muss ich dir noch sagen, dass du bei Kundengesprächen gefälligst die Schnauze halten sollst!«
    Ein zweiter Mann sagte: »Ich hab's doch nur gut gemeint. Frauen mögen's, wenn man ihnen ein bisschen schön tut.«
    Woraufhin der Erste entgegnete: »Blödsinn! Die sind wir los, du Idiot.« Und dann: »Hallo, Mama, wie läuft's?«
    »Wir haben Besuch«, sagte Jen Pytches.
    Während Pitchley das Wasser trank, hörte er die Schritte im Wohnzimmer, die sich der Küche näherten. Er stellte sein Glas in das schmutzige Spülbecken und drehte sich nach seinen beiden jüngeren Brüdern um. Sie füllten den Raum, groß und massig wie ihr Vater, mit Köpfen wie Wassermelonen und riesigen Händen. Pitchley fühlte sich wie immer in ihrer Gegenwart: klein und hässlich. Und er verfluchte wie immer das Schicksal, das seiner Mutter eingegeben hatte, sich mit einem wahrhaften Zwerg zu paaren, um ihn - James - zur Welt zu bringen, und sich für ihre darauf folgenden beiden Söhne einen Preisringer als Vater auszusuchen.
    »Robbie«, sagte er statt einer Begrüßung zum Älteren der beiden und »Brent« zum Jüngeren. Sie trugen beide schwere Stiefel, Bluejeans und Windjacken, auf denen vorn und hinten der Aufdruck Rolling Suds prangte. Sie hatten gearbeitet, vermutete Pitchley, in dem Bemühen, das mobile Autowaschunternehmen in Schwung zu halten, das er selbst auf die Beine gestellt hatte, als er dreizehn Jahre alt gewesen war.
    Robbie führte wie immer das Wort. »Tja, wen haben wir denn da? Unseren großer Bruder! Da staunst du, was, Brent? Und schaut er nicht heiß aus in seinen piekfeinen Klamotten?«
    Brent lachte unterdrückt und kaute auf seinem Daumennagel, während er wie gewöhnlich wartete, um Robs Vorbild zu folgen.
    Pitchley sagte: »Du hast gewonnen, Rob. Ich hau ab.«
    »Du haust ab? Wie meinst du das?« Robbie ging zum Kühlschrank, nahm eine Dose Bier heraus und warf sie Brent zu.
    »Ma«, rief er, »willst du von hier draußen was haben? Was zu essen oder zu trinken?«
    Sie sagte: »Das ist nett von dir, Rob. Gegen ein Stück von der Schweinefleischpastete von gestern hätte ich nichts einzuwenden. Siehst du sie? Sie liegt ganz oben. Sie muss gegessen werden, bevor sie schlecht wird.«
    »Ja, ich hab sie«, verkündete Rob. Er kippte die bröckelnden Reste der Pastete auf einen Teller und drückte diesen seinem Bruder in die Hand. Der verschwand im Wohnzimmer.
    Rob machte sein Bier auf, setzte die Dose an die Lippen und leerte sie in einem langen Zug. Er griff sich die andere Dose, die sein Bruder leichtsinnigerweise zurückgelassen hatte.
    »So, so«, sagte er, »du haust also ab, hm? Und wohin haust du ab,Jay?«
    »Ich wandere aus, Rob. Ich weiß noch nicht, wohin. Es ist mir ziemlich egal.«
    »Aber mir nicht.«
    Nein, natürlich nicht, dachte Pitchley. Denn woher würde jetzt die Kohle kommen, wenn er wieder mal beim Buchmacher Schulden hatte, wenn er wieder mal einen Wagen zu Schrott gefahren hatte, wenn er Bock auf einen Urlaub am Meer hatte? Ohne den guten Jay, der ihm bei Bedarf stets einen Scheck ausgeschrieben hatte, würde das Leben für Robbie spürbar anders verlaufen. Er würde sich tatsächlich ein bisschen reinhängen müssen ins Autowaschgeschäft, und wenn die Firma pleite ging - was unter Robs launischem Management seit Jahren drohte -, gab es niemanden mehr, auf den er in der Not zurückgreifen konnte. Tja, so ist das Leben, Rob, dachte Pitchley. Die Gans, die bisher die goldenen Eier gelegt hat, ist im Begriff, davonzufliegen. Der Silberstreif am Horizont wird für immer verschwinden. Du hast mich überall aufgespürt, wenn du mich gerade gebraucht hast, von East London über Hammersmith und Kensington bis nach Hampstead, aber damit wirst du dich schwer tun, wenn ich erst überm Ozean bin.
    Er sagte noch einmal: »Ich weiß nicht, wo ich landen werde. Keine Ahnung.«
    »Was willst du dann noch hier?« Mit der Hand, die die Bierdose hielt, machte Robbie eine

Weitere Kostenlose Bücher