Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
11 - Nie sollst Du vergessen

11 - Nie sollst Du vergessen

Titel: 11 - Nie sollst Du vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
Vom Netzwerk:
bei einem kleinen Rachefeldzug zu helfen? Den sie, nebenbei gesagt, vielleicht für absolut gerechtfertigt hält. Die Zeit vergeht langsam im Knast. Und Sie würden sich wundern, wie in dieser langsam verstreichenden Zeit so mancher Killer zu der Überzeugung gelangt, dass er derjenige ist, dem Unrecht getan wurde.«
    »Das ist ja - total - das ist - absurd«, stammelte Mr. P.
    »Wirklich?«
    »Das wissen Sie doch ganz genau. Wie soll denn das abgelaufen sein?«
    »Jay -« warnte Azoff.
    »Glauben Sie vielleicht, sie hat mich ausfindig gemacht, hat eines Abends bei mir geklingelt und gesagt: ›Hallo, Jim, ich weiß, wir haben uns seit zwanzig Jahren nicht mehr gesehen, aber hast du nicht Lust, mir zu helfen, ein paar Leute kalt zu machen? Nur zum Spaß. Du hast doch hoffentlich nicht zu viel zu tun.‹ Soll es so gewesen sein, Inspector?«
    »Halten Sie die Klappe, Jay«, fuhr Azoff seinen Mandanten an.
    »Nein! Ich hab mein halbes Leben lang die Wände gewischt, obwohl ich sie gar nicht angepisst hatte. Ich habe die Nase voll. Restlos. Wenn es nicht die Polizei ist, dann ist es die Presse. Und wenn es nicht die Presse ist, dann ist es -« Er brach ab.
    »Ja?« Leach beugte sich vor. »Wer ist es dann? Was für ein Skelett gibt's denn da noch im Schrank? Außer der Sache mit dem plötzlichen Kindstod, meine ich? Sie haben es ja faustdick hinter den Ohren. Und eines kann ich Ihnen gleich sagen: Ich bin noch nicht fertig mit Ihnen.«
    Mr. P sank auf seinem Stuhl zusammen und schluckte krampfhaft.
    Azoff sagte: »Sehr seltsam. Ich höre gar keine Belehrung, Chief Inspector. Verzeihen Sie, wenn ich während dieses Gesprächs vorübergehend weggetreten bin, aber ich habe keine Belehrung gehört. Und wenn ich nicht in den nächsten fünfzehn Sekunden eine höre, dann schlage ich vor, wir sagen einander Lebewohl, auch wenn der Abschied noch so herzzerreißend wird.«
    Leach schob ihnen den Freigabeschein für den Porsche über den Tisch. »Planen Sie fürs Erste keinen Urlaub, Mr. Pitchley«, sagte er, und zu Azoff: »Zünden Sie den Giftstängel nicht wieder an, bevor Sie draußen auf der Straße sind, sonst krieg ich Sie wegen irgendwas dran.«
    »Halleluja! Wenn ich mir da nicht gleich in die Hosen mache, Meister«, gab Azoff zurück.
    Leach wollte etwas entgegnen, ließ es aber sein und sagte nur: »Verschwinden Sie!«
    Als J. W. Pitchley alias Die Zunge alias James Pitchford alias Jimmy Pytches sich vor der Polizeidienststelle Hampstead von seinem Anwalt verabschiedete, wusste er, dass sie von nun an getrennte Wege gehen würden. Azoff war wütend wegen der Jimmy-Pytches-Geschichte, noch wütender als damals wegen der James-Pitchford-Geschichte; dass seine Unschuld am Tod beider Kinder erwiesen war, half gar nichts, darum gehe es nicht, erklärte Azoff. Es falle ihm nicht ein, sich noch einmal von einem Mandanten, der ihm gegenüber nicht ehrlich sei, als Volltrottel hinstellen zu lassen. Ob Jay überhaupt eine Ahnung habe, was für ein Gefühl das sei, wenn man da drinnen einem Bullen gegenübersitze, der wahrscheinlich nicht mal eine höhere Schulbildung hatte, und einem dann ohne Vorwarnung der Boden unter den Füßen weggezogen wurde. So eine Scheiße lasse er sich in Zukunft nicht mehr gefallen. Verstanden, Jay? Oder James? Oder Jimmy? Oder war er vielleicht noch irgendein anderer?
    Es gab keinen anderen. Er war nicht noch ein anderer. Und auch wenn Azoff nicht gesagt hätte: »Meine Abschlussliquidation kommt morgen per Kurier«, hätte Pitchley selbst den Schlussstrich unter ihrer geschäftlichen Verbindung gezogen. Ohne Rücksicht darauf, dass er Azoffs komplizierte Finanzen verwaltete. In der City ließ sich bestimmt jemand finden, der ebenso talentiert darin war, Azoffs Geld schneller herumzuschieben, als das Finanzamt folgen konnte.
    Er sagte deshalb ganz gelassen: »In Ordnung, Lou«, und versuchte gar nicht, dem Anwalt seinen Entschluss auszureden. Im Grunde konnte er dem armen Kerl keinen Vorwurf machen. War ja wirklich kein Honiglecken, wenn einem der eigene Mandant immer wieder in den Rücken fiel.
    Azoff schlang sich seinen langen Schal um den Hals und schwang das lose Ende mit großer Geste über seine Schulter. Dann zog er ab, und Pitchley seufzte. Er hätte Azoff sagen können, dass er bereits seit einiger Zeit mit dem Gedanken gespielt hatte, sich von ihm zu trennen, und dieser Gedanke während des Gesprächs mit Leach feste Form angenommen hatte, aber er beschloss, dem Mann seinen großen

Weitere Kostenlose Bücher