11 - Nie sollst Du vergessen
des Verrats in ihrem Inneren anschwoll wie ein Ballon, der sich in ihre Kehle drückte. Sie zwang sich zu sagen: »Noreen McKay«, und wartete auf Katjas Antwort. Was wird sie sagen?, dachte sie. Wird sie sich herausreden? Oder behaupten, das Ganze wäre ein Missverständnis? Oder den Versuch einer Erklärung machen?
Katja sagte: »Yas ...« Dann fluchte sie leise, und die typisch englischen Verwünschungen klangen so seltsam aus ihrem Mund, dass Yasmin, wenn auch nur einen Augenblick lang, den Eindruck hatte, sie spräche mit einer Wildfremden und nicht mit der Katja, die sie in den letzten drei Jahren ihres Gefängnisaufenthalts und in den fünf Jahren danach unerschütterlich geliebt hatte.
»Ich weiß nicht, was ich sagen soll.« Katja seufzte. Sie kam um den Couchtisch herum und setzte sich zu Yasmin aufs Sofa. Yasmin wich vor ihr zurück. Katja rückte von ihr ab.
»Ich hab deine Sachen gepackt«, sagte Yasmin. »Sie sind im Schlafzimmer. Ich wollte nicht, dass Dan es mitbekommt ... Ich sag's ihm morgen. Er ist es ja schon gewöhnt, dass du an manchen Abenden nicht hier bist.«
»Yas, es war nicht immer -«
Yasmin hörte selbst, wie ihre Stimme einen schrillen Ton bekam, als sie sagte: »Es war schmutzige Wäsche dabei. Die hab ich extra gepackt, in eine Sainsbury-Tüte. Du kannst sie ja morgen waschen oder heute Abend in den Waschsalon gehen oder -«
»Yasmin, bitte hör mir zu. Wir waren nicht von Anfang an ... Noreen und ich ... Wir waren nicht von Anfang an zusammen, wie du anscheinend glaubst. Das ist etwas ...« Katja rückte wieder näher. Sie legte ihre Hand auf Yasmins Oberschenkel, und Yasmin spürte, wie ihr Körper bei der Berührung erstarrte, und mit dieser Anspannung der Muskeln und Gelenke kehrte alles zurück, und sie wurde in die Vergangenheit katapultiert, wo die Gesichter über ihr hingen ...
Sie sprang auf, hielt sich die Ohren zu. »Hör auf! Fahr doch zur Hölle!«, schrie sie.
Katja streckte ihr die Hand entgegen, stand jedoch nicht vom Sofa auf. »Yasmin, bitte hör mir zu. Ich kann das nicht erklären. Es sitzt hier in meinem Inneren, und es war schon immer da. Ich kann mich nicht davon befreien. Ich versuche es. Dann weicht es zurück, aber schließlich kommt es wieder. Bei dir, Yasmin - du musst mir zuhören! Bei dir, glaubte ich ... ich hoffte ...«
»Komm mir nicht mit glauben und hoffen«, sagte Yasmin. »Benutzt hast du mich, Katja. Du hast gedacht, wenn es so aussähe, als würdest du sie wegen einer anderen verlassen, würde sie endlich Farbe bekennen müssen. Aber das hat sie nicht getan, solange du im Bau warst. Und sie hat's auch nicht getan, als du rausgekommen bist. Aber du bildest dir immer noch ein, sie wird's tun, und darum hast du dich bei mir einquartiert, weil du sie zum Handeln zwingen wolltest. Aber das klappt natürlich nur, wenn sie weiß, was du treibst und mit wem du zusammen bist, richtig? Und es klappt garantiert nicht, wenn du sie nicht ab und zu mal ran lässt, damit sie weiß, was ihr entgeht.«
»Das stimmt nicht. So ist es nicht.«
»Willst du vielleicht behaupten, ihr zwei hättet's nicht miteinander getan? Du wärst nicht mit ihr zusammen gewesen, seit du raus bist? Du wärst nicht nach der Arbeit oder nach dem Abendessen heimlich da drüben gewesen, manchmal sogar nachdem du mit mir zusammen warst, wenn du zu mir gesagt hast, du könntest nicht schlafen und müsstest noch mal an die frische Luft. Du hast ja gewusst, dass ich vor dem Morgen nicht aufwachen würde. Du kannst mich nicht mehr täuschen, Katja. Ich möchte, dass du gehst.«
»Yas, ich weiß nicht, wohin ich soll.«
Yasmin lachte atemlos. »Das lässt sich doch bestimmt mit einem Anruf regeln.«
»Bitte, Yasmin. Komm, setz dich wieder. Lass mich dir sagen, wie es war.«
»Das weiß ich jetzt. Du hast gewartet. Am Anfang hab ich's nicht gemerkt. Ich hab gedacht, du brauchtest Zeit, um dich an das Leben draußen zu gewöhnen. Ich dachte, du holst Luft, um etwas aufzubauen - für dich und mich und Dan, Katja -, aber in Wirklichkeit hast du die ganze Zeit nur auf sie gewartet. Du hast immer nur gewartet. Da hast darauf gewartet, einen Platz in ihrem Leben zu bekommen, und damit wäre für dich alles bestens gelaufen gewesen.«
»So ist es nicht, Yasmin.«
»Ach nein? Was hast du denn unternommen, um dein Leben auf die Reihe zu kriegen, seit du draußen bist? Hast du auch nur eine einzige Modeschule angerufen? Hast du dich mit irgend jemandem unterhalten? Warst du mal in einer
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