11 - Nie sollst Du vergessen
verloren!«
Jill lenkte den Wagen zum Grafton Way hinaus. Sie wusste intuitiv, dass etwas nicht in Ordnung war, aber sie konnte nicht sagen, ob es an ihr lag oder an dem Mann, den sie liebte.
Richard sprach erst wieder, als sie sich zum Portland Place durchgeschlängelt hatten und nun durch den Regen in Richtung Cavendish Square fuhren. Und da sagte er: »Ich muss so bald wie möglich mit Gideon sprechen. Er könnte auch in Gefahr sein. Wenn ihm etwas zustößt ... nach allem anderen ...«
Dieses »auch« sprach Bände, fand Jill. Sie sagte: »Dann besteht also tatsächlich ein Zusammenhang mit dem, was Eugenie geschehen ist?«
Sein Schweigen war Antwort genug. Furcht begann von neuem an ihr zu nagen.
Zu spät bemerkte Jill, dass die Route, die sie gewählt hatte, sie direkt an der Wigmore Hall vorbeiführen würde. Und das Schlimmste daran war, dass heute Abend offenbar ein Konzert stattfand. Die Straße davor war von Taxis verstopft, die um einen Platz vor dem Glasdach kämpften, um dort ihre Passagiere, vor dem Regen geschützt, abzusetzen. Sie sah, wie Richard sich abwandte.
»Sie ist aus dem Gefängnis entlassen worden«, sagte er. »Und auf den Tag genau zwölf Wochen nach ihrer Entlassung wurde Eugenie ermordet.«
»Du glaubst, dass diese Deutsche ...? Die Frau, die Sonia getötet hat ...?« Und mit einem Schlag war alles wieder da und machte jede andere Diskussion unmöglich: das Bild dieses bedauernswerten Kindes und die Tatsache, dass man ihr, Jill Foster, die ein ernstes Interesse daran haben musste, alles über Richard Davies und seine Kinder zu wissen, seinen Zustand verschwiegen hatte. »Hattest du Angst, es mir zu sagen?«, fragte sie. »War es das?«
»Du wusstest doch, dass Katja Wolff frei ist. Wir haben erst neulich mit diesem Kriminalbeamten darüber gesprochen.«
»Ich spreche nicht von Katja Wolff. Ich spreche von ... Du weißt, wovon ich spreche.« Sie bog in den Portman Square ein und fuhr weiter zur Park Lane, während sie sagte: »Du hattest Angst, ich würde kein Kind von dir wollen, wenn ich es wusste. Ich würde dann zu viel Angst haben. Das hast du befürchtet, nicht wahr, und mir nichts gesagt. Weil du mir nicht vertraust.«
»Wie hätte ich es dir denn mitteilen sollen?«, fragte Richard.
»Hätte ich ganz beiläufig sagen sollen: ›Ach, übrigens, meine Exfrau hat ein behindertes Kind zur Welt gebracht?‹ Es war nicht relevant.«
»Wie kannst du das sagen!«
»Weil wir gar nicht unbedingt versuchten, ein Kind zu bekommen, du und ich. Wir hatten Sex miteinander. Guten Sex. Wirklich aufregend. Und wir waren verliebt. Aber wir dachten doch nicht daran -«
»Ich habe nicht verhütet. Das wusstest du.«
»Aber ich wusste nicht, dass du keine Ahnung von Sonia hattest ... Mein Gott, es stand doch damals, nach ihrem Tod, in allen Zeitungen: dass sie am Down-Syndrom litt und dass sie ertränkt wurde. Mir ist nie der Gedanke gekommen, ich müsste dir das erzählen.«
»Aber ich wusste nichts davon. Das alles ist vor mehr als zwanzig Jahren passiert, Richard, da war ich sechzehn. Wer erinnert sich zwei Jahrzehnte später noch, was er mit sechzehn mal in der Zeitung gelesen hat?«
»Dein Erinnerungsvermögen ist nun wirklich nicht meine Sache.«
»Aber es wäre deine Sache gewesen, mich auf etwas aufmerksam zu machen, das meine Zukunft und die unseres Kindes beeinflussen könnte.«
»Du warst doch diejenige, die nicht verhütet hat. Ich dachte, du hättest deine Zukunft bereits geplant.«
»Willst du unterstellen, dass ich dich reingelegt habe?« Sie standen vor der Ampel am Ende der Park Lane, und Jill drehte sich mühsam in ihrem Sitz herum, um ihm ins Gesicht sehen zu können. »Willst du das damit sagen? Willst du behaupten, ich wäre so versessen darauf gewesen, mir dich als Ehemann zu angeln, dass ich es darauf angelegt habe, schwanger zu werden, damit du mit mir vor den Altar treten würdest? Tja, schlecht gelaufen für mich, nicht? Ich habe während unserer ganzen Beziehung sowieso nur einen Kompromiss nach dem anderen geschlossen. Alle dir zuliebe.«
Ein Taxi hupte ungeduldig hinter ihnen. Jill schaute zuerst in den Rückspiegel und bemerkte dann, dass die Ampel auf Grün geschaltet hatte. Sie fuhren weiter, rund um den Wellington Arch, und Jill war froh, dass der Humber so groß und wuchtig war, deutlich zu sehen für die Busfahrer und ein wenig bedrohlich für die Fahrer kleinerer Autos.
»Ich unterstelle gar nichts«, entgegnete Richard ruhig. »Ich sage nur,
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