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11 - Nie sollst Du vergessen

11 - Nie sollst Du vergessen

Titel: 11 - Nie sollst Du vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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linken vorderen Scheinwerfer zeigte. »Ein Fußgänger ist vom Bürgersteig aus direkt vor den Bus gestoßen worden«, erläuterte der Polizist.
    »Zum Glück ist ihm nicht allzu viel passiert. Mr. Nai« - er deutete auf den Busfahrer - »hat gute Reflexe, und bei dem Bus sind erst letzte Woche die Bremsen überprüft worden. Bei den Fahrgästen hat es ein paar Schrammen und Beulen gegeben, und das Opfer hat ein paar Knochenbrüche abbekommen, aber das ist schon alles.«
    »Hat jemand gesehen, wer ihn gestoßen hat?«, fragte Lynley gespannt.
    »Das versuchen wir gerade rauszukriegen, Meister.«
    Jill stellte den Humber einfach auf einem Platz ab, der unübersehbar für Krankenfahrzeuge reserviert war. Es war ihr egal. Sollten sie dem Wagen doch eine Kralle verpassen oder ihn abschleppen, wenn es ihnen Spaß machte. Sie kämpfte sich hinter dem Lenkrad hervor und lief zum Eingang der Notaufnahme.
    Hier gab es keine Anmeldung, nur einen Wachmann hinter einem simplen Holzpult.
    Er warf nur einen Blick auf Jill und fragte sofort, »Soll ich Ihren Arzt anrufen, Madam? Oder erwartet er Sie hier?«
    Jill sagte: »Wie bitte?«, bevor sie begriff, was der Wachmann angesichts ihres Körperumfangs, ihrer Aufmachung und ihrer panischen Verfassung glaubte. »Nein, nein«, wehrte sie ab, »keinen Arzt«, woraufhin der Mann missbilligend sagte: »Sie haben keinen Arzt?«
    Ohne ihn weiter zu beachten, lief sie schwerfällig auf einen Mann zu, der wie ein Arzt aussah. Er blätterte gerade irgendwelche Unterlagen durch, die auf einem Klemmbrett befestigt waren, und hatte ein Stethoskop um den Hals hängen.
    Jill rief: »Richard Davies?«, woraufhin der Arzt aufblickte. »Wo ist Richard Davies? Man hat mich angerufen. Ich solle herkommen. Man hat ihn hierher gebracht. Bitte sagen Sie mir jetzt nicht ... sagen Sie bitte nicht, dass er ... Bitte! Wo ist er?«
    »Jill ...«
    Sie fuhr herum. Er stand hinter dem Empfangspult an den Pfosten einer offenen Tür gelehnt, durch die man in eine Art Behandlungsraum hineinsehen konnte. Fahrbare Tragen standen dort, auf denen Menschen unter dünnen pastellfarbenen Decken lagen, und weiter hinten waren Abteile, durch Vorhänge voneinander abgetrennt, die nicht ganz bis zum Boden reichten, so dass die Füße derer zu sehen waren, die sich um die Verletzten, die Schwerkranken und die Sterbenden bemühten.
    Richard gehörte in die Gruppe der Verletzten. Jill wurden die Knie weich, als sie ihn sah. »O Gott«, rief sie. »Ich dachte, du wärst ... Sie sagten ... Als sie angerufen haben ...«, und dann begann sie zu weinen, was überhaupt nicht ihre Art war und deutlich verriet, wie sehr sie sich aufgeregt hatte.
    Er ging ihr humpelnd entgegen, und sie hielten einander fest. Er sagte: »Ich habe sie gebeten, dich nicht anzurufen. Ich sagte ihnen, ich würde dich selbst anrufen und dir Bescheid geben, aber sie ließen nicht mit sich reden ... Das sind eben die Vorschriften ... Wenn ich gewusst hätte, dass du dich so sehr aufregst ... Komm, Jill, hör auf zu weinen ...«
    Er versuchte, ein Taschentuch für sie herauszukramen, und erst bei dieser Gelegenheit bemerkte sie, dass sein rechter Arm in Gips war. Gleich darauf nahm sie alles andere wahr: den Gehgips am rechten Fuß, den sie unter dem aufgerissenen marineblauen Hosenbein sehen konnte, die hässlich verfärbte Quetschung auf der einen Seite seines Gesichts, die blutige Naht unter seinem rechten Auge.
    »Was ist denn nur passiert?«, rief sie.
    Er sagte: »Bring mich nach Hause, Schatz. Sie wollen mich über Nacht hier behalten, aber ich - das brauche ich nicht ... Ich verstehe nicht ...« Er sah sie ernst an. »Jill, bringst du mich nach Hause?«
    Natürlich, sagte sie. Habe er denn je daran gezweifelt, dass sie da sein würde, alles für ihn tun, ihn versorgen und pflegen würde?
    Er nahm es mit einer Dankbarkeit entgegen, die sie rührte. Und als sie seine Sachen packten, rührte es sie noch tiefer, zu sehen, dass er es tatsächlich geschafft hatte, all die Einkäufe zu erledigen, die er sich vorgenommen hatte, als er weggegangen war. Er kam mit fünf ziemlich zerdrückten und verschmutzten Einkaufstüten aus dem Behandlungszimmer zurück. »Wenigstens habe ich das Babyfon gefunden«, sagte er mit ein wenig bitterer Ironie.
    Ohne auf die Proteste des jungen Arztes und der noch jüngeren Schwester zu achten, die sie aufzuhalten suchten, verließen sie das Krankenhaus. Es ging langsam, da Richard etwa alle vier Schritte eine Verschnaufpause

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