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11 - Nie sollst Du vergessen

11 - Nie sollst Du vergessen

Titel: 11 - Nie sollst Du vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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dass ich darüber nicht streiten will. Es ist nun mal geschehen. Ich habe versäumt, dir etwas mitzuteilen, weil ich glaubte, du wüsstest es. Mag sein, dass ich es nicht erwähnt habe, aber ich habe nie versucht, es zu verheimlichen.«
    »Wie kannst du das sagen, wenn du nicht ein einziges Foto von ihr im Haus hast?«
    »Das ist Gideons wegen so. Glaubst du denn, ich möchte, dass mein einziger Sohn sein Leben lang seine ermordete Schwester ansehen muss? Was meinst du wohl, wie sich das auf seine Musik auswirken würde? Als Sonia getötet wurde, sind wir alle durch die Hölle gegangen. Alle, Jill, auch Gideon. Wir mussten versuchen, zu vergessen, und ich dachte, ohne Bilder von ihr wäre es leichter, zu vergessen. Wenn du das nicht verstehen oder verzeihen kannst, wenn du deswegen unsere Beziehung beenden willst ...«
    Seine Stimme zitterte. Er hob eine Hand zu seinem Gesicht und zog an der Haut unter seinem Kinn, zog und zerrte, ohne etwas zu sagen.
    Und auch Jill schwieg den Rest der Fahrt bis Cornwall Gardens. Sie nahm den Weg über Kensington Gore, und sieben Minuten später hielten sie auf dem kleinen Platz, wo der Wind das Herbstlaub über das Pflaster trieb.
    Schweigend half Jill Richard aus dem Wagen und griff nach hinten, um die Einkaufstüten vom Rücksitz zu holen. Einerseits wäre es vernünftiger gewesen, sie liegen zu lassen, da es ja lauter Dinge für Catherine waren. Andererseits schien es, da die Zukunft von Catherines Eltern plötzlich so unsicher geworden war, ein dezentes, aber unübersehbares Zeichen, sie in Richards Wohnung zu bringen. Jill nahm die Tüten. Sie nahm auch das Bild, das die Ursache ihres Streits gewesen war.
    Richard sagte: »Komm, lass mich auch was tragen«, und bot ihr seine gesunde Hand.
    »Ich schaff das schon«, entgegnete sie.
    »Jill ...«
    »Ich schaff es schon.«
    Sie wandte sich zum Haus, zu diesem verwahrlosten alten Gemäuer, das sie erneut an die vielen Kompromisse erinnerte, die sie ihrem Verlobten zuliebe ständig einging. Wer wurde hier wohnen wollen? fragte sie sich. Wer würde eine Wohnung in einem Haus kaufen wollen, das auf die Abrissbirne zu warten schien? Wenn sie und Richard wirklich versuchten, seine Wohnung vor der ihren zu verkaufen, würden sie niemals zu dem Haus mit Garten kommen, in dem sie mit Catherine wie eine richtige Familie zusammenleben wollten.
    Aber vielleicht war das ja auch nie sein Wunsch gewesen.
    Er hatte sich nicht wieder verheiratet. Zwanzig Jahre waren seit seiner Scheidung vergangen - oder waren es achtzehn? sechzehn? -, und er hatte sein Leben nie wieder mit einer Frau geteilt. Und jetzt, an diesem Abend, an dem er hätte sterben können, dachte er an sie. Dachte daran, was ihr zugestoßen war und was er nun unternehmen musste, um seinen Sohn zu schützen. Nicht Jill Foster, seine zukünftige Frau, die von ihm schwanger war, nicht ihr gemeinsames ungeborenes Kind, nein, seinen Sohn wollte er beschützen. Gideon. Seinen verfluchten Sohn.
    Richard kam ihr nach, als sie schwerfällig die Treppe zur Haustür hinaufging. Er griff an ihr vorbei und sperrte auf, stieß die Tür auf, so dass sie in das unbeleuchtete Foyer treten konnte, wo die Fliesen auf dem Boden voller Sprünge waren und die Tapete sich an den feuchten Wänden wellte. Es schien ein zusätzlicher Affront, dass es keinen Aufzug gab und keinen Treppenabsatz, sollte jemand eine Verschnaufpause einlegen wollen, sondern nur eine nach außen hin breiter werdende Stufe an der Stelle, wo die Treppe eine Biegung machte. Aber Jill wollte sowieso nicht rasten. Sie stieg zielstrebig in den ersten Stock hinauf und ließ Richard sich allein hochplagen.
    Er atmete schwer, als er oben ankam. Normalerweise hätte es ihr Leid getan, ihm bei diesem mit dem Gipsbein mühevollen Anstieg, bei dem das wacklige alte Treppengeländer kaum Stütze bot, nicht geholfen zu haben, aber sie fand, die Lektion würde ihm gut tun.
    »In meinem Haus gibt es einen Aufzug«, bemerkte sie. »Die Leute achten immer darauf, ob es im Haus einen Aufzug gibt, wenn sie eine Wohnung suchen. Und was denkst du, was du für diese Wohnung im Vergleich zu meiner bekommen wirst? Mit dem Erlös aus dem Verkauf meiner Wohnung könnten wir umziehen. Wir könnten ein Haus kaufen. Und du hättest dann Zeit, die nötigen Arbeiten zu machen, streichen, renovieren und so, die es braucht, um die Wohnung hier so herzurichten, dass sie sich verkaufen lässt.«
    »Ich bin zu Tode erschöpft«, sagte er. »Ich kann so nicht

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