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11 - Nie sollst Du vergessen

11 - Nie sollst Du vergessen

Titel: 11 - Nie sollst Du vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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machte. Sie wollte erklären, warum sie ohne ein Wort des Abschieds gegangen war, warum sie alle Bilder deiner Schwester mitgenommen hatte, warum sie uns beinahe zwanzig Jahre lang fern blieb ... Ja. Sie wollte dir sagen, was sie für die Wahrheit hielt - dass du deine Schwester ertränkt hast -, und das wollte ich nicht zulassen. Darum habe ich sie getötet, Gideon. Ich habe deine Mutter ermordet. Ich habe es für dich getan.
    Und nun gibt es niemanden mehr, der mir sagen kann -  Ich sage es dir. Du kannst mir glauben, und du musst mir glauben. Bin ich nicht der Mann, der die Mutter seiner Kinder getötet hat? Bin ich nicht der Mann, der sie auf der Straße mit dem Auto niedergefahren, der sie überrollt, ihre Leiche weggeschafft, dann das Bild an sich genommen hat, das sie mitgenommen hatte, um dir deine Schuld vor Augen zu halten? Bin ich nicht der Mann, der danach ruhig wegfuhr und nichts empfand? Bin ich nicht der Mann, der vergnügt nach Hause fuhr zu seiner jungen Geliebten und sein Leben weiterführte, als wäre nichts gewesen? Und bin ich auf Grund all dessen nicht ein Mann, der fähig ist, ein krankes, wertloses, schwachsinniges Kind zu töten, das uns allen immer nur eine Last war und für mich der lebende Beweis meines Versagens? Bin ich nicht dieser Mann, Gideon? Bin ich nicht dieser Mann? Die Frage schallte durch die Jahre. Sie zwang Gideon hundert Erinnerungen auf. Er sah sie flimmernd vor sich ablaufen, und jede stellte dieselbe Frage: Bin ich nicht dieser Mann?
    Und er war es. Er war es. Natürlich. Er war es. Richard Davies war immer dieser Mann gewesen. Gideon erkannte es in jedem Wort, jeder Nuance und Geste seines Vaters in den vergangenen zwanzig Jahren: Richard Davies war dieser Mann.
    Aber ein Eingeständnis dieser Tatsache - ein endgültiges Akzeptieren - brachte keine Spur von Absolution.
    Und darum ging Gideon durch den Regen. Sein Gesicht tropfte, und sein Haar klebte an seinem Schädel. Rinnsale zogen sich wie Adern seinen Hals hinab, aber er nahm nichts wahr von der Kälte oder Feuchtigkeit. Der Weg, den er ging, erschien ihm beliebig, aber er war es nicht, auch wenn Gideon die Stelle kaum erkannte, wo die Park Lane der Oxford Street wich und wo die Orchard Street in die Baker Street mündete.
    Aus dem Sumpf dessen, woran er sich erinnerte, was man ihm erzählt hatte und was er gehört hatte, erhob sich ein einziges Wort, an dem er schließlich festhielt: Akzeptanz war die einzige Möglichkeit, weil nur Akzeptanz Wiedergutmachung gestattete. Und er war derjenige, der Wiedergutmachung leisten musste, weil er als Einziger übrig war, es zu tun.
    Er konnte seine Schwester nicht zum Leben erwecken, er konnte seine Mutter nicht vor der Vernichtung bewahren, er konnte Katja Wolff die zwanzig Jahre ihres Lebens nicht zurückgeben, die sie den Plänen seines Vaters geopfert hatte. Aber er konnte die Schuld dieser zwanzig Jahre bezahlen und wenigstens auf diese Art Wiedergutmachung leisten für den teuflischen Handel, den sein Vater mit ihr geschlossen hatte.
    Und es gab eine Möglichkeit, die Schuld an ihr zu begleichen, durch die zugleich der Kreis all dessen, was geschehen war, sich schließen würde: vom Tod seiner Mutter bis zum Verlust seiner Musik, von Sonias Tod bis zur öffentlichen Entlarvung aller, die zu dem Haus am Kensington Square gehörten. Diese Möglichkeit materialisierte sich in den langen eleganten Bügeln, den perfekt geformten Schnecken und den schönen Schalllöchern: ein zweihundertfünfzig Jahre altes Kunstwerk von der Hand Bartolomeo Giuseppe Guarneris. Er würde die Geige verkaufen. Ganz gleich, welchen Preis sie bei einer Versteigerung erzielte, ganz gleich, wie hoch der wäre, und es würde ein astronomischer Betrag sein - er würde dieses Geld Katja Wolff geben. Und indem er diese beiden Dinge tat, würde er sein Bedauern und seinen Schmerz auf eine Weise ausdrücken, wie keine andere Handlung von ihm es ausdrücken könnte.
    Mit diesen beiden Handlungen würde sich der Kreis von Verbrechen, Lügen, Schuld und Strafe durch ihn schließen lassen. Sein Leben würde danach nie wieder wie früher sein, aber es würde endlich sein eigenes Leben sein. Und das wollte er.
    Gideon hatte keine Ahnung, wie spät es war, als er schließlich den Chalcot Square erreichte. Er war nass bis auf die Haut und von dem langen Marsch erschöpft. Aber durch den Plan, den er ausführen wollte, verspürte er immerhin so etwas wie einen gewissen inneren Frieden. Dennoch erschienen ihm die

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