1103 - Das Azteken-Ritual
nicht aufgebrochen worden.
Der Schlüssel befand sich in ihrer Hosentasche. Becky schob die rechte Hand hinein, holte ihn hervor, schob ihn in das Schloß und mußte ihn zweimal drehen, dann war die Tür offen.
Der Schlüssel steckte noch von außen, als sie hinter ihrem Rücken das Geräusch hörte. Schreie, die sie kannte. Dann traf sie der Luftzug der Flügel. Da war sie bereits dabei, sich zu drehen.
Der Vogel erschien dicht vor ihr wie ein gewaltiges und jetzt auch lebendiges Gemälde. Er flatterte in Kopfhöhe, seine Schreie klangen böse, und nur eine Sekunde später griff der Bussard an.
Becky kam nicht mehr ins Haus. Der schwere Vogelkörper prallte gegen sie. Sie schlug nach ihm.
Sie traf auch, aber sie schaffte es nicht, das Tier zurückzuschleudern. Der Bussard wollte den Angriff, er hackte mit seinem scharfen Schnabel zu und zielte dabei auf das Gesicht.
Becky schrie und schlug.
Sie traf das Tier.
Es flatterte zurück. Es stieg in die Höhe. Es schrie dabei wütend auf, und dieser Lockruf galt den anderen Tieren, die noch hoch über ihm schwebten.
Nicht mehr lange.
Pfeilschnell stießen sie dem Boden zu. Die junge Frau erhaschte einen Blick auf das Adlerpärchen und dachte mit Schrecken daran, daß sie gegen diese Tiere nicht die Spur einer Chance hatte.
Es gab nur die Flucht ins Haus.
Bevor sich die Tiere auf sie stürzen konnten, riß Becky die Tür auf, warf sich in das Haus hinein, prallte auf die Knie, trat nach hinten aus und wuchtete die schwere Tür wieder ins Schloß. Sie hörte das dumpfe Geräusch, und noch in das Echo hinein vernahm sie den anderen harten Aufprall.
Ein Vogel hatte es nicht mehr rechtzeitig genug geschafft, abzudrehen und war gegen die Tür geprallt. Während Becky nach vorn kroch, hörte sie das wütende Schreien.
Sie erreichte den Tisch und zog sich daran hoch. Ziemlich wacklig stand sie auf den Beinen und stützte sich auf der dicken Holzplatte ab. Noch immer brannten ihre Augen. Sie konnte keinen klaren Gedanken fassen. Zumindest nicht in den folgenden Sekunden. Ihr war schlecht, und nur mit Mühe bewegte sie sich weiter.
An der Küchenzeile blieb sie stehen. Sie nahm ein Glas und ließ kaltes Wasser hineinlaufen. Es tat gut, das Wasser zu trinken. Das Gefühl der Trockenheit war aus ihrer Kehle verschwunden, und sie drehte sich sehr langsam um.
Erst in diesem Augenblick wurde ihr richtig bewußt, welcher Gefahr sie da entkommen war. Die Welt hatte sich auf den Kopf gestellt. Nichts war mehr so geblieben. Aus Freunden waren Feinde geworden. Sie konnte sich auf nichts verlassen. Jeden Augenblick konnte sich die Welt um sie herum radikal verändern.
Noch hielten sich die Vögel draußen auf. Das konnte sich leicht ändern.
Der Druck aus ihrem Kopf verschwand allmählich. Es gelang Becky Flint wieder, sich auf die Umgebung zu konzentrieren. Sie und ihr Mann hatten sich ein relativ großes Haus gebaut. Platz genug für all die Möbel war vorhanden. Auch die Freitreppe zur oberen Etage störte das nicht. Auch sie war gut in das Allgemeinbild integriert worden. Die Sessel waren stabil und mit Leder bezogen. Der Boden bestand aus rauhen Bohlen. Auch die Küche paßte sich der rustikalen Umgebung an. Sie bestand nicht aus Einbauelementen, sondern aus massiven Teilen. Geräte hingen auch an der Wand, der Ofen schimmerte wie ein modernes Kunstwerk zwischen den alten Holzmöbeln.
Das Ehepaar hatte sich hier ein kleines Refugium geschaffen. Becky und ihr Mann hatten sich hier immer sehr wohl gefühlt, und die Tiere waren ihre besten Freunde gewesen.
Nun nicht mehr.
Schlagartig hatte sich alles verändert. Dafür mußte es einen Grund geben.
Becky trat von der Küchenzeile zurück und blieb neben einem Sessel stehen. Ihr Blick fiel auf den Bildschirm des Fernsehers. Darauf malten sich die Einrichtungsgegenstände schwach ab. Es war still im Haus, doch diese Stille übertrug sich nicht nach draußen.
Dort lauerten sie noch!
Becky Flint hörte die Vögel. Sie huschten dicht an der Hauswand vorbei und umflogen das Gebäude in wilden Kreisen. Manchmal schlugen sie mit ihren Schwingen gegen die Wände. Dann hörte es sich an wie ein Kratzen von schnell vorbeigerissenen Nägeln. Auch die Scheiben bekamen Schläge mit. Immer wenn Becky dies hörte, zuckte sie zusammen. Für sie stand fest, daß sie eine Gefangene im eigenen Haus war und die Vögel als Wächter fungierten.
Die Frau wußte, daß sie etwas unternehmen mußte. Sie durfte die Tiere nicht mehr unbedingt als
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