1103 - Das Azteken-Ritual
Wobei mir etwas nicht aus dem Kopf will, da bin ich ehrlich.«
Wir waren schon im Begriff gewesen, uns zu erheben, doch wenn unser Chef so sprach, hatte er immer noch etwas in petto. Da kam das dicke Ende meistens nach.
»Wo liegt das Problem, Sir?« fragte Suko.
»Nicht nur bei mir. Ich habe ja gehört, war Ihnen im Zuchthaus widerfahren ist. Dieser Hiero Gomez ist zwar weit von der Vogelwarte entfernt, doch ich kann mir vorstellen, daß er trotzdem einen gewissen Einfluß ausübt. Sie verstehen, auf was ich hinaus will?«
Suko nickte. »Sicher. Sie denken, daß einer von uns diesen Mann beobachten soll.«
»Das käme mir gelegen.«
Suko und ich schauten uns an. Wir hatten nur die Wahl zwischen uns beiden, einen dritten Partner gab es nicht. »Losen?« fragte ich.
Suko verzog die Lippen. »Du bist doch gerne an der frischen Luft.«
»Okay, dann nimmst du den Knast.«
»Ja.« Suko drehte sich Sir James zu, bevor ich eine ironische Bemerkung loswerden konnte. »Ich bin wirklich der Ansicht, daß man diese Person nicht aus den Augen lassen darf. Manchmal gibt es eben Wesen, die auch nicht durch Mauern aufgehalten werden können.«
»Sie glauben, er kann das Zuchthaus verlassen?«
»Nein, Sir, nicht durch die Wand gehen. Nicht mit seinem Körper. Aber für einen entsprechend geschulten Geist existieren keine Grenzen, denke ich mir.«
Weder Sir James noch ich widersprachen…
***
Der Weg nach Claygate war nicht schwer zu finden. Es war ein Ort, der zu einer kleinen Stadt mit dem Namen Esher gehörte. Die Vogelwarte lag zwar weiter außerhalb, aber in der unmittelbaren Nähe war sie nicht die einzige Attraktion, denn auf zahlreichen Hinweisschildern las ich immer den Begriff »World of Adventures«. Ein Abenteuer-Park für Kinder und auch Erwachsene.
Es hätte mir mehr Spaß gemacht, dorthin zu fahren. Statt dessen fuhr ich südwärts auf mein eigentliches Ziel zu, das große Vogelparadies, das seine Pforten für Besucher noch nicht geöffnet hatte, was ich positiv fand, denn so wurde ich wenigstens nicht durch Fremde gestört.
Es war doch noch ein Montag geworden, der es gut mit den Menschen meinte. Schon am Mittag hatten sich die meisten Wolken aufgelöst oder waren durch den Wind vertrieben worden. So zeigte der Himmel große Flächen eines hellen Frühlingsblaus, und auch die Natur hatte ihren Winterschlaf beendet. Überall sproß und blühte es. Knospen hatten sich geöffnet, und an den Bäumen und Sträuchern reckten sich die ersten zaghaften Triebe der Sonne entgegen.
Es war eine friedliche Welt, durch die ich rollte. Aber sie wurde düsterer, je höher ich fuhr. Das lag an den zahlreichen Bäumen, die sehr dicht beieinander standen, so daß sie sich zu Waldstücken zusammengefunden hatten.
Ich dachte daran, daß ein gewisser Jäger namens Tony Orwell in einem Waldstück das Herz ohne Toten gefunden hatte. Automatisch führte ich den Gedanken fort, denn das Herz war ihm von einem Geier aus dem Leib gerissen worden.
Ich wollte nicht daran glauben, daß der Vogel selbst den Mann getötet hatte. Deshalb ging ich davon aus, daß ich einen Mörder suchen mußte. Dem kam ein derartiges Gelände natürlich entgegen. Es bot zahlreiche Verstecke, in denen man für Jahre hinaus einfach vom Erdboden verschwinden konnte.
Der Gedanke an den Geier reichte aus, um meinen Blick ab und zu über den Himmel streichen zu lassen.
Und dort sah ich die Vögel!
Nicht daß sie mich erschreckt hätten, auf eine gewisse Art und Weise allerdings kamen sie mir schon seltsam vor, besonders in dieser Konzentration, denn es handelte sich bei ihnen nicht um die Vögel, die auch über London flogen.
Im majestätischer Schönheit schwebten über mir die Raubvögel, wobei mir der Name Raubvögel gar nicht gefiel. Es war einfach zu negativ besetzt. Jeder Tier war irgendwie ein Raubtier, denn auch die normalen Vögel mußten sich schließlich von einer Beute ernähren. Ich fuhr etwas langsamer, um mich besser auf die Tiere konzentrieren zu können. Ein Experte war ich natürlich nicht. Ich konnte nur annehmen, daß über mir Bussarde, Falken und Sperber am Himmel waren, wobei mir auch ein großes Vogelpaar auffiel. Bei den beiden handelte es sich möglicherweise um Adler, die sehr ruhig ihre Kreise zogen und auch die entsprechenden Winde nutzten, um selbst Kraft zu sparen.
Warum flogen die Tiere? Wer hatte sie freigelassen? Um diese Zeit war die Warte noch geschlossen, das hatte Sir James bestätigt. Daß die Tiere jetzt freie
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