1103 - Das Azteken-Ritual
Fenster zeigte mir, was dort passiert war. Die Scheibe war zerbrochen, und mir fiel auf, daß das Fenster relativ groß war. Dahinter flatterten Vögel. Sie befanden sich nicht mehr auf dem Weg zum Haus, sondern flogen von ihm weg.
Keine Spur von der Person, die geschrieen hatte. Eine Frau hatte sich in großer Gefahr befunden.
Ich ging davon aus, daß es Becky Flint war. Sie mußte auch geschossen haben.
Als ich vor dem zerstörten Fenster stehen blieb und meinen Blick kreisen ließ, da sah die Gegend wieder friedlich aus. Nichts wies darauf hin, welches Drama sich hier abgespielt hatte und daß die Gesetze der Natur auf den Kopf gestellt worden waren. Die Gegend lag friedlich vor mir, beinahe schon wie aus dem Bilderbuch.
Ich beobachtete auch den Himmel. Keine großen Vögel zogen mehr ihre Kreise. Auch die Adler waren verschwunden. Ich glaubte auch nicht, daß sie sich an einer Hausseite aufhielten, die ich nicht einsehen konnte. Man hatte mich praktisch im Regen stehengelassen.
Aber es gab Hoffnung. Als ich den Kopf nach links drehte, sah ich das Auto, das über den normalen Weg nahte. Es war ein Geländewagen, und ich konnte mir vorstellen, daß damit der Hausherr aus London zurückkehrte.
Hier im Schlafzimmer hatte ich nichts mehr zu suchen und ging deshalb wieder nach unten. Der Wagen fuhr auf das Haus zu und wurde abgebremst, als ich aus der Haustür trat. Meine Pistole hatte ich weggesteckt. Der Adler lebte nicht mehr. Die Kugel hatte ihn getötet. Wie ausgestopft lag er neben der Tür.
Ein Mann stieg aus. Er war groß, kräftig, hatte dunkles Haar und trug eine braune Lederjacke. Mich hatte er wohl gesehen, doch er kümmerte sich nicht darum, denn sein Blick war zuerst auf den toten Adler gefallen. Er schüttelte Kopf, als er auf den Vogel zuging, kurz neben ihm verharrte und den Kopf mir zudrehte.
»Haben Sie das getan, Mister?« fragte er mit scharf klingender Stimme.
»Ja, es mußte sein!«
Er holte Luft. Die Antwort hatte ihm nicht gepaßt. Er sah aus wie jemand, der dicht vor einer emotionalen Explosion stand. Obwohl er noch relativ weit von mir entfernt stand, hörte ich ihn atmen.
Bevor es zu einer Konfrontation zwischen ihm und mir kommen konnte, holte ich meinen Ausweis hervor. Ihn sichtbar in der Hand haltend, ging ich auf den Mann zu, der mich anschaute, dann einen Blick auf den Ausweis warf und den Kopf schüttelte, wobei er sich ein wenig entspannte. »Polizei? Scotland Yard?«
»Ja.«
»Ich komme von der Polizei. Aber…«
»Das weiß ich, Mr. Flint. Das sind Sie doch - oder?«
»Sicher.« Er stemmte die Hände in die Seiten. »Verdammt noch mal, was ist hier eigentlich los? Ich habe auf meiner Herfahrt leere Gehege gesehen. Die Vögel sind frei und…«, er holte tief Luft, »und wo befindet sich meine Frau?«
»Um sie geht es auch.«
Er kam näher. Ich sah die Angst und auch die Wut in seinen dunklen Augen. »Verdammt noch mal, was haben Sie mit Becky gemacht?«
»Ich nichts. Ich stehe auf Ihrer Seite, Mr. Flint. Aber es geht um Ihre Frau, das stimmt. Und es geht auch um die Vögel, die auf eine kaum erklärbare Art und Weise manipuliert worden sind. Es geht zudem um ein altes Ritual, um Opfer und um menschliche Herzen.«
Ich hatte schnell gesprochen, und Derek Flint hatte mir auch zugehört, aber er schüttelte immer stärker den Kopf. Sein Gesicht verlor dabei die gesunde Farbe.
»Wollen Sie mir die Fragen nicht der Reihe nach beantworten, Mr. Sinclair?«
»Nein!«
»Das ist…«
»Im Moment nicht wichtig. Es würde zu lange dauern. Ich werde versuchen, Ihnen in Stichworten den Fall darzulegen. Und ich möchte Sie bitten, Mr. Flint, mir genau zuzuhören und keine Fragen zu stellen, wenn ich rede. Es mag Ihnen noch so unwahrscheinlich vorkommen, aber was Sie hören werden, entspricht den Tatsachen. Ich füge nichts hinzu und phantasiere auch nicht.«
»Gut, dann sprechen Sie.«
Ich faßte mich zwar kurz, für Derek Flint jedoch wurde die Zeit lang. Ich sah ihm an, daß die Fragen auf seiner Seele brannten, doch er unterbrach mich mit keinem Wort. Nur seine Augen weiteten sich, und sein Gesicht spiegelte Ungläubigkeit wider. Er konnte es einfach nicht fassen, was ich verstand, denn er wurde hier mit einer Sache konfrontiert, die das menschliche Begriffsvermögen bei weitem überschritt.
Als ich ihm schließlich ein Zeichen gab, daß genug von meiner Seite geredet worden war, da brachte er kein Wort hervor. Der Mann starrte fassungslos zu Boden und konnte seinen
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