1106 - Zombie-Engel
wie der erste.
Die Schreie waren nicht ungehört geblieben. Einige Menschen hetzten über den Kirchplatz, und von der Seite her liefen zwei Polizisten mit langen Schritten auf das Ziel zu.
Sie rannten den beiden Wesen genau in den Weg, die vor den Beamten erschienen wie Figuren aus einer Märchenwelt. Hinter den Uniformierten stoppte an der Einmündung zu einer Seitenstraße ein Radfahrer, der in den folgenden Sekunden Zeuge einer Tat wurde, diaer nie für möglich gehalten hätte.
Die Wesen griffen beide zu. So teilten sie sich die Aufgabe. Ihre Klauen drückten sich um die Hälse der Polizisten, die plötzlich den Boden unter den Füßen verloren, aber nicht lange so in der Luft schwebten, denn die Zombie-Engel drehten sich zusammen mit ihrer Beute und schleuderten sie dann weg wie altes Papier.
Der Zeuge sah die beiden fliegen - und sah auch, wie brutal sie am Boden landeten. Schon jetzt hatte ihm der Vorgang die Sprache verschlagen. Was er danach erleben mußte, das ließ ihn an seinem Verstand zweifeln.
Er sah, wie sich die beiden hellen Gestalten anfaßten. Zugleich breiteten sich hinter ihren Rücken Flügel aus, und einige Augenblicke später schwebten sie wie zwei Geister an der Seitenwand der Kirche in die Höhe und dem Nachthimmel entgegen, der sie verschluckte, als hätte es sie nie gegeben…
***
Es war eine Fahrt gewesen, bei der wir unter Streß gestanden hatten.
Wir wußten nichts über die entkommenen Zombie-Engel. Es konnten drei, vier oder ein halbes Dutzend und mehr sein, die den Himmel über London unsicher machten.
Glenda hatte sich ständig auf dem Beifahrersitz bewegt und immer wieder so gut wie möglich nach oben geschaut, aber die Dunkelheit über den Häusern war einfach zu dicht. Da malte sich auch keine helle Engelsgestalt ab.
Suko fuhr mit seinem BMW vor uns her. Ich orientierte mich anhand der Rückleuchten. Zudem war der Verkehr gering. Es schob sich kein anderes Fahrzeug zwischen den BMW und den Rover.
Erst als wir in die Tiefgarage eingerollt waren, atmete Glenda Perkins auf. Sie lehnte sich zurück und stieß mit dem Hinterkopf gegen die Nackenstütze. Entspannt blieb sie neben mir sitzen, als ich den Wagen in die Parklücke lenkte. »Die erste Etappe ist geschafft!« sagte sie und nickte.
»Was ist mit der zweiten?«
Sie zuckte die Achseln. »Keine Ahnung. Ich traue ihnen mittlerweile alles zu.«
»Zum Beispiel?«
Glenda löste den Gurt. »Daß sie in meine oder deine Wohnung eingedrungen sind.«
»Weshalb in meine?«
»Irgendwie scheinen sie zu wissen, daß wir zusammengehören. Sonst hätten sie mich nicht als Botin ausgesucht. Das wäre doch der absolute Triumph der Hölle gewesen, wenn eine Bekannte oder Freundin eines gewissen John Sinclair die Brücke gebaut hätte. Oder liege ich da falsch?«
»Keine Ahnung.« Glenda stieg aus.
Auch ich verließ den Wagen. Suko stand bereits neben seinem BMW und wartete auf uns. »Nichts zu sehen«, meldete er. »Still und dunkel ruht die Garage. Ich habe übrigens Shao angerufen. Sie hat versprochen, Kaffee zu kochen.«
»Tee wäre auch gut gewesen.«
Wir betraten den Lift und schwiegen uns an. Die Augen befanden sich in Bewegung, wir lauschten auf fremde Geräusche, doch nichts hatte sich verändert.
Im Flur angekommen, hatte Glenda etwas dagegen, sofort nach nebenan zu gehen. »Ich fühle mich so schmutzig. Kann ich mal bei dir duschen, John?«
»Aber immer.« Ich sah Sukos anzügliches Grinsen und hob den Zeigefinger. »Sag nur nichts. Duschen ist ja wohl noch erlaubt - oder?«
»Und es bleibt auch dabei«, erklärte Glenda.
»Dann kommt ihr nach.«
Glenda wartete, bis ich die Tür aufgeschlossen hatte. Ich schob sie zurück und betrat als erster meine Wohnung. Am Schloß war nicht manipuliert worden, was nicht heißen mußte, daß ich keinen unangemeldeten Besuch erhalten hatte, denn meine Feinde kannten ganz andere Möglichkeiten, mich zu überraschen.
Die Wohnung war clean. Ich schaltete überall das Licht ein und schaute auch im Bad nach. Dort hielt sich ebenfalls niemand versteckt. »Du kannst duschen, Glenda. Es wird dich niemand belästigen.«
»Niemand? Auch du nicht?«
»Ich dusche nach dir.«
»Dann ist es okay.«
Glenda verschwand im Bad, und ich zog meine Jacke aus. Alles roch nach Rauch. Da war mir der muffige Geruch aus dem Laden noch lieber gewesen.
Es ging auf zwei Uhr zu, als ich mich vor das Fenster stellte und nach draußen schaute, um den Himmel zu beobachten. Wie straff gespannt lag er
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