1106 - Zombie-Engel
in diesem Fall spielte.
»Wenn sie dich haben wollen«, sagte Suko, »dann müssen sie zumindest in deine Nähe kommen. Das könnte unsere Chance sein, denn wir werden dich nicht aus den Augen lassen. Du bist praktisch ein Köder, Glenda.«
»Ja, wie schön.«
»Es gibt keine andere Möglichkeit - oder?«
Shao gab die Antwort und befürchtete Schlimmes. »Einen Toten haben sie schon hinterlassen. Es könnte erst der Beginn sein. Sie sind so mächtig, daß sie ein Chaos heraufbeschwören können. Ich sehe da Schlimmes auf uns zukommen. Sie nehmen auch keine Rücksicht auf unschuldige Menschen. Typen wie sie befinden sich im Krieg. Ich darf mir gar nicht vorstellen, was sie noch alles anstellen könnten.«
Jeder von uns gab ihr recht. Wir konnten nichts dagegen sagen und schauten betreten zu Boden. Wieder einmal liefen wir hinterher. Aber so ist es nun mal, wenn man auf der anderen Seite steht. Keiner von uns wußte, wo er eingreifen mußte, um das mögliche Grauen verhindern zu können. Und der Gerechte?
Ich verzog die Mundwinkel, als ich an ihn dachte. Raniel stand auf unserer Seite. Trotzdem war er jemand, der immer seinen eigenen Weg ging. Halb Engel, halb Mensch. Mal auf unserer Seite, mal auf der anderen. Aber er war gerecht, und wenn er tatsächlich mitmischte, dann mußte er auf unserer Seite stehen.
»Woran denkst du?« fragte Suko.
»An Raniel.«
»Ich auch.«
»Man kann ihn nicht herbeirufen. Das ist wie mit dem Eisernen. Er erscheint, wenn er es für richtig hält.« Ich stand auf und ging wieder zum Fenster.
Es war draußen noch dunkel. Er gab keine Veränderung. Keine helle Gestalten, die sich am Himmel bewegten. Aber sie waren da. Irgendwo, das spürte ich. Und wenn sie es wollten, dann konnten sie über die Stadt eine Katastrophe hereinbrechen lassen…
***
In der Raststätte war um diese frühe Morgenstunde nicht viel los. Das wußte Jim Patterson auch, aber er brauchte die Pause und wollte auch nicht unbedingt eine lange Unterhaltung führen. Für den 40jährigen Mann mit dem Overall, auf dem das Signet einer Ölgesellschaft klebte, war es wichtig, einige Tassen Kaffee zu trinken, denn um diese Zeit überkam ihn stets die Müdigkeit. Auf keinen Fall, durfte er sich erlauben, am Lenkrad einzuschlafen. Gerade er nicht, ein Fahrer, der Gefahrgut transportierte. In dem Tank seines Transporters befanden sich Tonnen von Benzin, die er nach London schaffen wollte. Er war schon einige Stunden gefahren und hatte sich darüber gefreut, daß die Autobahn so leer gewesen war. Der Winter mit all seinen Schwierigkeiten für den Autofahrer lag endlich hinter ihm. In den nächsten Monaten würde es wieder aufwärts gehen. Jim hoffte auch, daß dieser Aufschwung nicht an ihm vorbeilaufen würde, denn er wollte nicht mehr fahren. Fünfzehn Jahre waren lange genug. Das zerrte an den Nerven. Besonders bei Menschen wie Jim, der inzwischen eine Familie gegründet hatte. Sein Sohn war vier Jahre alt, und er sollte auch mehr von seinem Vater haben. Man hatte ihm einen Job im Innendienst versprochen, und Jim hoffte, daß dieses Versprechen nicht vergeblich oder nur so dahingesagt worden war. Die Fahrerei mußte einfach aufhören. Er wurde schließlich nicht jünger.
Als einziger Gast saß er am Tisch. Vorn an der Theke standen noch zwei junge Männer und tranken ebenfalls Kaffee. Ihre Gesichter sahen im Licht der Lampe bleich aus.
Eine Kellnerin war dabei, die Tische abzuwischen und die Stühle hochzustellen. Sie hatte sich einen grauen Kittel übergestreift und sah ebenfalls müde aus.
Als sie Jims Tisch erreichte, hielt sie mit der Arbeit inne. Beide kannten sich.
»Und?« fragte der Fahrer nur.
Jessica, so hieß die dunkelhäutige Frau, lächelte. »Man schlägt sich so durch. Ich weiß nicht, wie lange ich diesen verdammten Job schon mache, aber ich bin es leid, verstehst du? Irgendwann platzt einem der Kragen.«
»Kann ich verstehen.«
»Wolltest du nicht auch aufhören?«
»Ja und nein. Zumindest mit der Fahrerei. Man hat es mir für dieses Jahr angekündigt.«
»Das wünsche ich dir, Jim. Wie geht es deiner Frau und dem Sohn?«
»Wenn ich nicht mehr fahre, bestimmt besser. Ihretwegen habe ich es ja getan.«
»Kann ich verstehen. Ich muß weitermachen. Ich werde wohl keinen anderen Job mehr bekommen. Einen Kerl habe ich auch nicht und schlage mich allein durch.«
»Willst du nicht mehr heiraten?«
»Nein, Jim. Die Männer sind schlecht. Ich habe da meine Erfahrungen sammeln können. Ich bin
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