1106 - Zombie-Engel
hier im Fahrerhaus. Er war sein eigener Herr, es gab keinen Chef. Hätte er keine Familie gehabt, er wäre auch noch Jahre weitergefahren. So aber freute er sich auf den Innendienst, obwohl er den Transporter wohl vermissen würde.
Er rollte an. Der Wagen war durch zahlreiche Sicherheitsleuchten illuminiert. Man sah ihn auf der Autobahn, auch bei Regen, und das war wichtig. Mit schlechtem Wetter mußte er nicht rechnen. Die Wolken würden verschwinden, für den nächsten Tag war Frühling angesagt, und darauf freute sich Jim.
An der Auffahrt brauchte er nicht zu stoppen. Er konnte direkt zufahren, gab Stoff und lächelte, als er das Singen der Räder hörte. Auch das war seine Musik, die zu einem Kapitän der Straße einfach dazugehörte.
Das Radio ließ er noch ausgeschaltet. Er wollte nachdenken und sich durch nichts ablenken lassen. In einer Woche hatte sein Sohn Geburtstag, und Jim war noch immer keine Idee gekommen, was er dem Kleinen schenken sollte, der immer auf ein Mitbringsel seines Vaters wartete. Er mochte Teddybären. Davon besaß er eine ganze Sammlung.
Ein neuer Bär wäre wohl das ideale Geschenk.
Jims Gedanken schweiften ab. Er schaute automatisch in die Spiegel und auch nach vorn. Ein schneller Wagen flitzte an ihm vorbei. An der Form der Rücklichter erkannte er die Automarke. Es war ein Jaguar. Jim lächelte schmerzlich. Er schwärmte für den Wagen und wußte zugleich, daß er ihn sich nie würde leisten können.
Dann dachte er wieder an Jessicas Erzählungen. Sie hatte die beiden hellen Gestalten auf dem Parkplatz herumschleichen sehen. Er hoffte nur, daß sie mit ihrer Befürchtung nicht recht behielt und die Typen nicht erschienen waren, um die Lage zu checken. Das gab es. Man ging erst los, schaute sich um, und erst danach - manchmal Tage später - wurde dann der Überfall durchgeführt.
Es war April, und es würde nicht mehr lange bis zur Morgendämmerung dauern. Da wurde der Osten im Himmel hell.
Darauf freute sich Jim jedesmal. Die Helligkeit kündete zumeist das Ende einer langen Arbeitsnacht an. Er würde nach Hause fahren und sich hinlegen und auch einen Frühlingstag genießen können.
Der routinierte Blick in den Außenspiegel. Wie so oft, wie immer, wie unzählige Male.
Diesmal schrak Jim zusammen.
Er hatte etwas gesehen. Ohne es richtig zu wollen, ging er vom Gas und fuhr langsamer. Die Bewegung im Außenspiegel hatte ihn irritiert. Jim hatte sie nicht einschätzen können. Er wußte nicht, was sich da abgezeichnet hatte. Es war kein Auto gewesen, das stand fest, und er hatte die Bewegung auch nicht auf der Straße entdeckt, sondern - so seltsam es sich auch anhörte - darüber in einer gewissen Höhe. Wie eine schwebende Gestalt.
Unsinn - Quatsch. Das redete sich Jim Patterson ein, obwohl er nicht so recht davon überzeugt war. Er war ein Routinier, aber das war ihm noch nicht untergekommen.
Was schwebte dort in der Luft?
Ein Stück Papier, das der Wind in die Höhe geschleudert hatte und nun über die Bahn trieb?
Nein, das nicht. Es war auch nicht das Licht eines anderen Scheinwerfers gewesen. Je länger er darüber nachdachte, desto mehr gelangte er zu der Überzeugung, daß es sich um einen Gegenstand gehandelt hatte. Möglicherweise mit menschlichen Formen.
Er war nervös geworden und bewegte seinen Kopf jetzt stärker hin und her.
Plötzlich weiteten sich seine Augen. Jim hatte zugleich das Gefühl, festzufrieren. Der Schweiß strömte ihm aus allen Poren.
Was er da zu sehen bekam, das glich dem reinen Wahnsinn. Vor ihm war jemand erschienen, und er war noch da.
Ein Mensch!
Ein schwebender Mensch, der keinen Kontakt zur Fahrbahn brauchte, denn er flog rückwärts über sie und hielt sich dabei in Fahrerhöhe, so daß Jim ihn gut erkennen konnte. Das Licht der Scheinwerfer erreichte ihn an den Seiten, und Jim stellte fest, daß diese Gestalt hell war.
Die Gedanken erwischten ihn wie kurze Stromstöße. Es waren mehr Erinnerungen, denn Jessica hatte ihm von den beiden weißen Gestalten berichtet, die um die Raststätte herumgeschlichen waren. Die Gestalt, die vor ihm in der Luft schwebte und die Geschwindigkeit des Fahrzeugs beibehielt, war ebenfalls hell, wie gepudert. Dabei leicht glänzend. Sie war nackt, sie besaß einen menschlichen Körper, sie sah aus wie eine Figur, die ihm einmal bei der Besichtigung einer Kathedrale aufgefallen war.
Ein Engel!
Jemand mit Flügeln, die ausgebreitet von seinem Körper wegstanden und sich nur leicht bewegten, um
Weitere Kostenlose Bücher