111 - Das Spukschloß

tust? Ich bin der Gewährsmann des Dämonenkillers. Ich hätte nicht gedacht, daß du so ein schlechtes Gedächtnis hast."
    Abi lachte verächtlich. „Du hast deinen Part gespielt, Ghoul. Du bist überflüssig. Ich werde nie begreifen, warum der Dämonenkiller ausgerechnet einen abscheulichen Ghoul für seine Ziele einspannte. Diesen Schauergestalten kann man nicht trauen. Vielleicht hast du das Ganze auch nur erfunden, um deinen Hals zu retten."
    „Und wie bin ich an das Losungswort gekommen?"
    „Du könntest den echten Gewährsmann getötet haben. Vorher mußte er dir alles verraten. Oder Luguri hat dir den Auftrag gegeben. Von ihm hättest du Einzelheiten erfahren können."
    Abi wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. Ich ging langsam auf ihn zu. Wenn es gefährlich wurde, mußte ich ihn entwaffnen.
    „Keinen Schritt weiter, Ghoul!" zischte er. Die Mündung wanderte langsam nach oben, und ich sah, wie sich sein Zeigefinger um den Abzug krümmte. „Ich verbrenne dich!"
    Ich mußte meine letzte Karte ausspielen und gleichzeitig einen Hinweis für meine Freunde hinterlassen. Meine Gestalt als Ghoul war sinnlos geworden.
    „Dorian Hunter lebt", sagte ich leise.
    „Was?"
    Abi Flindts Augen leuchteten. Plötzlich war er wie umgewandelt.
    „Wo hält er sich auf? Rede schon, Ghoul! Wo ist Dorian Hunter jetzt?"
    Bevor ich in den Bayerischen Wald gekommen war, hatte ich sorgfältig die Schriften des Hermes Trismegistos studiert. Da ich ja die Nachfolge des Dreimalgrößten angetreten hatte, standen mir seine unersetzlichen Aufzeichnungen zur Verfügung. Darin war ich auf die Geschichte des Weißen Mönches gestoßen. Dieser Magier hatte vor dreihundert Jahren in der Gegend um den Großen Arber eine bedeutende Rolle gespielt. Ich hielt es für unerläßlich, daß wir uns um ihn kümmerten.
    „In den Wäldern des Großen Arber", begann ich, „steht eine Klosterruine. Vor Jahrhunderten wirkte hier eine Sekte, über die sehr wenig bekannt ist. Ich weiß auch nichts Genaueres über sie, nur so viel, daß Dorian Hunter in der Schreckensgruft des weißen Mönches festgehalten wird."
    Ich machte eine Pause.
    Abi runzelte die Stirn; dabei musterte er mich argwöhnisch.
    „Woher weißt du, daß Dorian Hunter dort gefangengehalten wird?"
    „Als Gewährsmann des Dämonenkillers bin ich verpflichtet, dir über alles Auskunft zu geben."
    „Na, schön", sagte der Däne mit einem gefährlichen Unterton, „wie ich dir vorhin schon sagte - du hast deine Aufgabe erfüllt. Für Ghouls ist kein Platz in dieser Welt."
    Er drückte ab. Ich warf mich zur Seite. Aus den Augenwinkeln heraus sah ich, wie ein kleiner Schemen vom Boden hochschnellte und Abis Schußhand erwischte. Die tödliche Kugel pfiff glühendheiß über mich hinweg. Hinter mir verbrannte knisternd das Buschwerk.
    Don Chapman hatte geistesgegenwärtig reagiert. Bevor Abi etwas merkte, sprang der Puppenmann wieder in Deckung. Mir genügte die kurze Zeitspanne. So schnell ich konnte, rannte ich zum Waldrand hinüber. Abi feuerte erneut. Unmittelbar neben mir entzündete sich ein Busch. Die trockenen Äste brannten lichterloh. Ich ließ mich fallen und stieß einen gurgelnden Schrei aus. Dann robbte ich geschickt ins Unterholz.
    Abi lachte triumphierend.
    „Ich habe dich erwischt, Ghoul! Angenehme Höllenfahrt!
    Gleichzeitig aktivierte ich die Kraft des Vexierers. Ich mußte eine neue Gestalt annehmen und entschied mich für das Aussehen eines Pilgers. Ein paar Minuten später hatte ich erreicht, was ich wollte.
    Abi durchstöberte das Buschwerk. Er wollte sich vergewissern, daß der Ghoul auch tatsächlich tot war. Dabei fand er mich.
    „He, lebst du noch, oder hat's dich erwischt?"
    Ich richtete mich auf und spielte den Erschöpften.
    „Was ist passiert? Ich kann mich an nichts erinnern. Plötzlich blendete mich grelles Licht. Ich sah, wie ein entsetzliches Wesen verbrannte, dann tauchten Sie auf."
    „Schon gut", erwiderte Abi Flindt und steckte die Signalpistole in den Hosenbund. „Es ist alles vorbei. Kommen Sie, ich helfe Ihnen! Wir gehen zu den anderen zurück."

    Im Morgengrauen verließen die Pilger den Keller. Ich hatte mich unauffällig unter sie gemischt. Nachdem die Es-Anteile sich wieder mit ihren Persönlichkeiten vereinigt hatten, wurde ihr Körperzerfall gestoppt. Mit der Zeit wurden sie wieder sie selbst. Die häßlichen Blutbeulen verschwanden. Ihre Körper regenerierten sich langsam.
    Ein halbes Dutzend Opfer waren zu