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112 - Der tägliche Wahnsinn

112 - Der tägliche Wahnsinn

Titel: 112 - Der tägliche Wahnsinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingo Behring
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wieso der Delinquent noch keine «Acht» angelegt bekommen habe. Kleinlaut mussten die beiden Beamten zugeben, dass sie keine Handfesseln mitgebracht hatten. Damit kann ja keiner rechnen, wenn man zu einer gewalttätigen Person gerufen wird, dass man womöglich den staatlichen Modeschmuck benötigt … Der Streifenführer half den Kollegen natürlich bereitwillig und gönnerhaft mit Handfesseln aus, was die Gegenwehr des Patienten erheblich behinderte. Na ja, spucken und treten konnte er trotzdem noch.
    Nachdem der Mann gefesselt auf die Trage unseres Rettungswagens verfrachtet und mit Sicherheitsgurten verschnürt war, legte der mittlerweile eingetroffene Notarzt eine Kanüle in die Armvene des sich heftig Wehrenden und spritzte ihm ein Beruhigungsmittel. Das nahm etwas den «Drive» heraus, und der Patient, vermutlich auf einem Drogentrip, wurde langsam friedlicher.
    Während die gespritzten Chemikalien ihre Wirkung entfalteten, erzählte uns einer der Streifenpolizisten, worum es hier überhaupt ging: Der Mann war am Vorabend auf der Polizeistation aufgetaucht und hatte angegeben, Drogen konsumiert zu haben. Daraufhin wurde er in die internistische Aufnahme eines Krankenhauses gebracht, in der man ein Drogenscreening durchführte. «Die haben da aber anscheinend nichts Auffälliges gefunden, und weil der Typ nicht randalierte, haben sie ihn in die Überwachungsstation einquartiert», mutmaßte der Beamte. Dort schienen ihm aber die Farben nicht zu passen, die er in seinem benebelten Zustand wahrgenommen hatte. Oder die Töne, die er hörte. Also riss er seine EKG -Strippen vom Körper und sprang aus dem Fenster im ersten Stock. Ohne Schuhe. Und verletzte sich dabei leicht an der Ferse. Das erklärte die gazellenartige Gangart an der Kreuzung.
    Die Suche der Polizei nach dem Entflohenen blieb zunächst erfolglos. Bis über Funk etwas von einem «Durchgedrehten bei Pizza-Luigi» durchkam. Das ist er bestimmt, dachten sich die Beamten, die uns dann doch beim Fesseln des widerspenstigen Hüpfers halfen.
    So fuhren wir mit einem nun sichtlich ruhigeren Drogenjünger in Richtung Psychiatrie. Mit Sondersignal, denn ich wollte dort sein, bevor unsere hauseigenen Mittel aus dem Medikamentenfundus des RTW in der Wirkung nachlassen würden: Der Notarzt und Steffen waren im Patientenraum schließlich allein mit dem Krawallo!
    Bei unserer Ankunft im Krankenhaus verhielt der sich zwar immer noch ruhig, aber trotzdem noch sehr, vorsichtig ausgedrückt, speziell. Er behauptete, er hätte Forrest Gump im Hintern, jenen nicht gerade hellen Helden aus dem gleichnamigen Film. Ganz, wie er auf Nachfrage versicherte. Ich wollte das jetzt aber nicht kontrollieren. Außerdem wohne er in der Hirschvogelgasse (wahrscheinlich gleich neben dem Wolperdingerweg), denn er sei beim Naturschutzbund. Er bezahle auch regelmäßig seine GEZ . Ob ich ein Türke sei, fragte er mich. Ich würde so aussehen. Und wenn ich kein Türke sei, ob ich seine Abfahrtszeiten nehmen könnte. Da ich weder einen Zug noch eine Skischanze sah, lehnte ich freundlich ab. Was er sonst noch so von sich gab, war so wirr, dass sich mein Arbeitsspeicher im Kopf weigerte, dafür Platz zu verschwenden. Kennen Sie das? Vom Patienten kommt ein geistiger Klopper, und während man noch versucht, das Gehörte mit dem real existierenden Universum in Einklang zu bringen, ist schon der nächste Spruch vorbei. Wahrscheinlich nicht, denn dafür muss man beim Rettungsdienst arbeiten.
    Nach der Patientenübergabe fragte ich die Psychiaterin: «Der Mann hat doch einen Drogentest gehabt. Wieso wurde da nichts festgestellt?»
    «Nun ja», antwortete sie, «einige Tests haben zum Beispiel mit LSD ihre Probleme. Die zeigen das nicht an.» Unser Patient hatte offensichtlich auch seine Probleme, zeigte diese aber deutlich.
    Einsatzende.
    Folgerichtig befand ich später, beim Ausfüllen des Wachbuchs, in dem wir alle dienstlichen Vorkommnisse dokumentieren, dass für diesen Einsatz unser Standartstichwort « HP Straße» nicht ausreichte. Schließlich hatte die Person «total neben der Spur» gestanden und sechs Feuerwehrleuten sowie zwei Polizisten ganz schön Schwierigkeiten bereitet. Hinter der Einsatznummer formulierte ich es etwas differenzierter: «Akuter Wahnsinn.» Das war zwar keines der sonst verwendeten Stichworte, um einen Einsatz zu begründen, aber trotzdem sehr treffend. Fand ich.

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    Kapitel 28 Die Dame ohne Unterleib
    Psychische Notfälle sind mir oft

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