1121 - Wenn Totenmasken leben...
Erzählungen anderer, wie es dort aussah.
Es sollte dunkel sein. Kleine Fenster. Alte Möbel. Eine niedrige Decke. Balken, die schwer unter der Last trugen.
All das stimmte. Es war ein düsteres Haus, das ihn aufnahm. Und es blieb auch düster, obwohl einige Lampen ihren Schein verteilten.
Auf seinen Händen trug er noch immer das Paket wie etwas ungemein Wertvolles. Er dachte auch daran, was er getan hatte, und er hoffte, dass Jolanda es nicht merken würde. Aber die Neugierde hatte ihn einfach dazu getrieben. Er hatte es schon immer vorgehabt, um endlich zu wissen, was Jolanda Juffi da stets geschickt bekam.
An diesem Tag hatte er es versucht. Ein kurzer Blick nur, nicht mehr, und er war eigentlich enttäuscht gewesen, so gut wie gar nichts zu sehen.
Mrs. Juffi führte ihn in den Raum, in dem die wenigen Gäste sonst ihr Frühstück einnahmen. Sie ging mit ihm in die Küche. Darin standen die beiden großen Öfen, die alten Schränke, die Regale um einen viereckigen Tisch in der Mitte. Der Boden war mit Steinplatten bedeckt und leicht uneben.
»Stell es auf dem Tisch ab, Sean.«
»Gut, ja, gern.«
Der Tisch war groß. Ein altes Stück aus dickem Holz. Sehr massiv.
Auf vier festen Beinen stehend. Zwei Schubladen lagen sich gegenüber, und eine Tischdecke war so gelegt, dass sie eine Raute bildete.
Auch wenn Jolanda Juffi Geburtstag hatte, standen keine Blumen im Raum. Auf Sean machte er einen nüchternen Eindruck. Er wunderte sich, dass niemand zu diesem Fest erschienen war. Hatte diese Person denn keine Freunde oder Bekannte? Warum waren keine Gäste da? Einige davon hielten ihr seit Jahren die Treue, das zumindest hatte sie immer behauptet.
Der Tisch trennte sie. Sean versuchte, dem Blick der Frau auszuweichen. Er konzentrierte sich auf das kleine Fenster, dessen Scheibe kaum zu sehen war, denn die Juffi hatte die hellgrauen Vorhänge beinahe zugezogen.
Da sie nichts sagte, fühlte er sich bemüßigt, einen Kommentar abzugeben. »Schön haben Sie es hier, Madam. Wirklich, das hätte ich nicht gedacht.«
»Hör auf, das sagst du nur so.«
»Nein, nein, bestimmt nicht. Ich finde es richtig gemütlich hier. Toll, die Gäste werden sich sicherlich wohlfühlen.« Er hatte die Worte nicht ohne Hintergedanken gesagt, weil er von ihr erfahren wollte, ob sie überhaupt Gäste beherbergte.
»Ja, Sean, das stimmt. Meine Gäste haben sich hier immer wohl gefühlt. Ich hatte viele von ihnen. Sie alle waren meine Freunde. Meine Stammgäste. Sie kamen gern, aber wie das so ist. Im Leben lässt alles nach, und heute bin ich nicht mehr so ausgebucht. Ich finde es verdammt schade, aber man kann nichts machen.«
»Im Sommer waren doch welche hier.«
»Klar. Aber jetzt habe ich einen Leerlauf. Im September haben sich wieder welche angemeldet. Darauf freue ich mich, und ich bin auch nicht vergessen, obwohl es für dich den Anschein haben mag. Nein, das bin ich nicht. Man erinnert sich immer an mich, und ich erinnere mich an sie.« Dann lachte sie zweimal hart hintereinander auf und warf die Arme hoch. Die gläsernen Pailletten klimperten aneinander, als wollten sie auf ihre Art und Weise Beifall geben.
»Wer Geburtstag hat, der sollte auch feiern, Sean. Lass uns beide feiern. Lass uns ein Glas trinken.«
»Aber nicht zuviel.«
Sie ging darauf nicht ein und fragte: »Möchtest du Champagner? Trinkst du ihn gern?«
Der junge Briefträger bekam einen roten Kopf. Er wollte nicht zugeben, dass er noch nie in seinem Leben dieses edle Gesöff genossen hatte. Deshalb zuckte er nur mit den Schultern, ohne eine Antwort zu geben.
»Ich habe die Flasche bereits geöffnet und kalt gestellt.« Jolanda ging auf einen Kühlschrank zu und zog die Tür auf. Sie nahm die Flasche heraus und stellte sie auf den Tisch. Mit der Marke konnte Sean nichts anfangen. Ihm war ein Brandy lieber oder ein anständiges Bier. Aber er wollte nicht unhöflich sein und schaute zu, wie die Frau in zwei Sektgläser einschenkte, die sie aus einem Schrank genommen hatte. Die Flüssigkeit stieg hoch. Kleine Perlen zerplatzten auf der Oberfläche. Die dünnen Gläser beschlugen, so kalt war er geworden, und Jolanda reichte ihrem Besucher ein Glas.
»Bitte, mein junger Freund. Lass uns anstoßen.«
Sean, der noch immer verlegen war, dachte darüber nach, dass er etwas sagen musste. Im Kino war das immer so leicht. Da wussten die Leute, was sie zu sprechen hatten, aber das Leben war kein Film, das merkte er sehr deutlich.
Trotzdem wartete Jolanda Juffi
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