1122 - Der Prophet des Teufels
Welt war.«
»Vor hundert Jahren?«
»Ja.«
»Und was hast du getan?«
»Zeichen gesetzt!«
»Schon, wie heute. Vier tote Pfarrer, zwei tote Polizisten. Sehen so deine Zeichen aus?«
Bisher waren seine Augen für mich relativ tot gewesen. Das änderte sich, denn in den Pupillen sah ich ein kurzes Aufblitzen. »Als Prophet sehe ich die Zeichen der Zeit. Vielleicht bin ich nicht der einzige. Es kann sein, dass mir noch welche folgen werden, aber ich will die Menschen auf die Übernahme vorbereiten. Die Zeit ist günstig, sogar sehr günstig, denn ich spüre genau die Angst der Leute vor dem großen Wechsel. Viele wollen feiern, sie wollen mit großen Festen die Wende in das neue Jahrtausend begehen, aber ich allein weiß, dass sie nicht mit dem Herzen dabei sind. Sie feiern die Feste nur, um ihre Angst zu überbrücken. Die Furcht vor der neuen Zeit, vor dem Millennium, wie man heute sagt. Schon allein der Begriff hinterlässt bei den meisten Leuten einen Schauer. Zu Recht, wie ich meine.«
»Ja, durch deine Taten.«
»Die sich wiederholt haben. Schon einmal bin ich als Mahner und Warner erschienen, aber man hat mich vergessen. Es war vor hundert Jahren, als ich in den Kirchen und bei den Pfarrern erschien, um ihnen zu erklären, dass es Zeit ist, sich zu ändern.«
»Warum hätten sie das tun sollen?«
»Weil es so gewollt war.«
»Wer wollte es? Du? Nur du?«
»Noch jemand, der mächtiger ist.«
»Der Teufel, wie?«
Der Prophet lächelte. »Viele nennen ihn so. Ich kann es euch Menschen nicht einmal verübeln. Aber für mich ist er der wahre Herr. Er hat schon zu allen Zeiten existiert, und er hat sich auch immer wieder die günstigsten Zeitpunkte ausgesucht. Er hat mich geschickt, um die Zeichen zu setzen. Ich habe bei denen angefangen, die gegen ihn stehen, um sie zu überzeugen. Sie wollten nicht. Sie wollten einfach nicht einsehen, dass sie den falschen Weg gingen und jetzt die Gelegenheit hatten, alles rückgängig zu machen. Sie hätten ihre Kirchen schänden sollen. Sie hätten sie für ihn vorbereiten müssen, aber sie spielten nicht mit. Und deshalb musste ich sie vernichten. Ich habe noch Zeit bis zur großen Wende, und ich werde nicht aufgeben, das habe ich dem Teufel geschworen.«
Die Worte hatten mir bewiesen, dass ich alles daransetzen musste, um diesen Wahnsinnigen zu stoppen. Es war tatsächlich noch Zeit genug bis Silvester, aber diese Zeit wollte ich ihm nicht lassen. Vier tote Pfarrer und zwei ermordete Polizisten reichten. Er sah, wie ich den Kopf schüttelte. »Auch wenn hinter dir die Macht des Teufels steht, ich glaube nicht daran, dass es dir und ihm gelingen wird, die Menschen im Sinne der Hölle zu verändern. Schon oft ist es versucht worden, und gerade ich hatte damit zu tun. Deshalb glaube ich auch nicht, dass unser Treffen hier rein zufällig zustande gekommen ist. Es gab eine andere Regie, die uns zusammenführte.«
Er nickte mir zu. Eigentlich sah er aus wie ein netter älterer Herr, aber damit hatte er andere täuschen können. Ich ließ mich durch ihn nicht beeinflussen.
»Ja«, gab der Prophet zu. »Unser Treffen ist bestimmt kein Zufall gewesen. Ich spüre, dass sich im vergangenen Jahrhundert etwasentwickelt hat, das uns nicht gefallen kann. Die Menschen fürchten die Hölle nicht mehr so wie es sein sollte. Sie haben sich auch von ihrer Religion oft abgewandt, was uns eigentlich hätte recht sein können und müssen. Aber sie haben es nicht geschafft, den Weg zu gehen, der ihnen durch uns geöffnet wurde. Das ist nicht gut. Das werde ich ändern. Sie müssen erst ihr eigenes Grauen und den Tod erleben, bis sie endlich begreifen, dass sie sich uns zuwenden müssen. Und jeder, der sie dabei auf ihrem Weg aufhalten will, ist ein Feind.«
»So wie ich?«
»Ja. Und so wie derjenige, der aus dem Fenster unter dir schaut. Ihr habt mich gesucht und auch gefunden, aber ihr werdet es nicht schaffen, mich aufzuhalten. Das hat vor hundert Jahren schon einmal jemand versucht. Es ist ein Bischof gewesen, der meine Vernichtung wollte, denn er ahnte, was hinter meinem Erscheinen stand. Der Bischof lebt nicht mehr, ich aber existiere.«
»Als Mensch?« fragte ich.
»Sehe ich anders aus?«
»Nein. Wenn jedoch alles stimmt, bist du kein Mensch für mich. Du bist mehr ein Symbol, das sich die Menschen vom Tod gemacht haben, und das von der Hölle gern übernommen wurde. Du bist der Tod in menschlicher Gestalt, auch wenn du dich als Prophet bezeichnest und durch dein Kartenspiel
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