1122 - Der Prophet des Teufels
erleben werden. Vorstellen könnte ich es mir zumindest.«
Es brachte nicht viel, wenn wir spekulierten. Den Sensenmann fanden wir dadurch auch nicht.
»Dass er nicht hier ist, steht fest. Aber wir wissen von zwei Toten im Treppenhaus. Es wird am besten sein, wenn du die örtliche Polizei anrufst. Das sind jetzt Dinge, um die sie sich kümmern muss. Wir haben unseren Job getan.«
»Klar. Das hier oben regle ich schon.«
Wir warfen noch einen letzten Blick auf das, was von diesem Propheten zurückgeblieben war. Viel war es nicht. Feuchte Würmer und Maden, die zu einem zuckenden Knäuel verschlungen waren.
Hätte ich das Zeug im Freien gehabt, ich hätte es verbrannt.
Harry Stahl ging bereits auf die Tür zu. Ich warf noch einen letzten Blick durch den Speicher. Meine innere Unruhe wurde ich nicht los.
Es mochte auch an der dumpfen Atmosphäre liegen, die hier oben herrschte.
Das Fenster schloss ich wieder. Beim Hinausschauen sah ich einen hellen Blitz wie einen riesigen Speer über den Himmel huschen. Im Westen donnerte es. Ein Gewitter war einfach nötig. Dann konnte die unnatürlich schwüle Luft endlich verschwinden.
Harry öffnete die Tür. Ich drehte mich vom Fenster weg. Ich sah Harry im offenen Rechteck stehen – und hörte seinen Schrei.
Im nächsten Augenblick fuhr etwas durch die Luft, das wie eine riesige Messerklinge aussah, aber keine war, denn jemand hatte mit einer Sense zugeschlagen…
***
Ich sah, wie Harry Stahl nach hinten taumelte und glaubte auch, Blut in seinem Gesicht entdeckt zu haben, dann war mein Blickfeld frei, und ich schaute direkt auf die Gestalt, die vor der Tür auf den richtigen Zeitpunkt gewartet hatte.
Bisher hatte ich das Skelett nur auf dem Film gesehen, nun stand es in der Realität vor mir. Und es war kein Geist, es war echt, es war scheußlich und schaurig zugleich, aber es hielt den Vergleich mit dem Schwarzen Tod nicht stand, denn die Knochen sahen gelbgrau aus, und nur die Kutte bestand aus dunklem Stoff.
Er hatte die Kapuze über den blanken Knochenschädel gezogen, aber das hässliche Gesicht lag frei. Keine Augen, leere Höhlen, keine Nase, keine Zähne, die mit Blut beschmierte Sense.
Harry Stahl stand nicht mehr auf den Beinen. Er hatte sich zurückgezogen und hockte am Boden, die Hände gegen das Gesicht und auch gegen den Hals gepresst.
Um ihn konnte ich mich nicht kümmern, weil es der Sensenmann auf mich abgesehen hatte. Er ging, aber ich hörte ihn nicht. Es klapperten und knirschten keine Knochen. Da rieb nichts gegeneinander, denn es ging mit einer ungewöhnlichen Lautlosigkeit auf uns zu und hielt seine Sense dabei so, dass die Klinge diagonal zum Körper stand.
Für mich lag auf der Hand, dass das Skelett mich unmöglich am Leben lassen konnte. Ich hatte den anderen Körper zerstört und sollte ein Opfer der Sense werden.
Aus dem dunkleren Bereich hervor trat es etwas mehr ins Licht, weil ich es dort hineinlockte. Es bewegte sich in gleichmäßigem Rhythmus weiter, und auch das blanke Sensenblatt schwang hin und her.
Durch die Schräge des Dachbodens kam ich nicht bis ganz an die Wand heran. Ich musste stehen bleiben, als ich mit dem Hinterkopf einen Balken streifte.
Begegnungen dieser unheimlichen Art kannte ich zu Genüge. In diesem Fall wunderte ich mich, wie wenig angriffslustig der Sensenmann war. Normalerweise hätte er längst mit der Waffe zuschlagen müssen, doch er ließ mich in Ruhe. Er ging auch nicht mehr weiter.
Ich holte das Kreuz hervor.
Ja, die Wärme tat mir gut. Zugleich hatte das Skelett nur darauf gewartet. Das Kreuz lag kaum auf meiner Hand, als mir das hässliche und metallisch klingende Lachen entgegenhallte. Es war ein besonderes Gelächter, ich hatte es schon öfter gehört und würde es auch nicht vergessen, obwohl es mich in diesem Moment überraschte, weil es nicht von dem Skelett stammen konnte.
»Dachtest du denn, gewonnen zu haben, John Sinclair?«
Auf diese Stimme hatte ich gewartet, auch wenn ich darauf hätte verzichten können. Aber sie war nun da. Ich konnte sie auch nicht verschwinden lassen. Doch ich wusste nun, wer sich hinter der Stimme verbarg.
Es war der Teufel!
Asmodis, der Satan, der Höllenfürst, wie immer die Menschen diese Gestalt auch genannt hatten, Es gab ihn nicht als Person, obwohl er sich als eine solche zeigte, denn das Böse war ein Meister der Täuschung. Asmodis, ein Drittel dieser verfluchten Dreieinigkeit der Hölle, aus der sich zusammen Luzifer bildete, war den Menschen
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