1127 - Der Gothic-Vampir
Gedanken, die anderen zu warnen. Zugleich war er Realist und wußte, daß er damit keinen Erfolg haben würde. Die anderen würden ihn nur auslachen, obwohl die meisten wußten, was er schon erlebt hatte, ohne allerdings genaue Einzelheiten zu kennen.
In seiner Reisetasche fand Johnny eine Büchse Bier. Es war warm, es würde nicht schmecken, und es schmeckte auch nicht, aber es vertrieb die Trockenheit aus seinem Hals.
Vampir oder nicht?
Etwas Genaues konnte er nicht sagen, und Johnny hoffte, daß ihm seine Augen einen Streich gespielt hatten und er sich auf keinen Angriff gefaßt machen mußte.
Immer wieder blickte er zum Fenster. Dahinter blieb es still. Dort schwamm die mondhelle Nacht mit all ihren Schatten und schroffen Konturen.
Als die Bierdose leer war, drückte Johnny sie zusammen und warf den verformten Rest in den Papierkorb an der Wand. Von draußen her hörte er Stimmen. Laut und grölend. Die Schüler kehrten aus dem Ort zurück. Da war wohl keiner mehr nüchtern. Aber Johnny war froh, daß sie da waren und keinen Überfall erlebt hatten.
Betrunkene waren mit all ihren Nachteilen, die ein Rausch so mit sich brachte, immer besser zu ertragen als irgendwelche Blutsauger.
Johnny wünschte sich, schon jetzt in London zu sein…
***
Ich hatte Suko an diesem frühen Abend gefragt, ob er mit zu den Conollys fahren wollte, doch er hatte abgelehnt, weil Shao mit ihm noch etwas anderes vorhatte. Sie hatte darauf gedrängt, endlich in bestimmte Geschäfte zu gehen, denn Suko brauchte angeblich neue Kleidung, wobei er nicht eben glücklich wirkte.
»Wir können ja später nachkommen«, hatte Shao sich kompromißbereit gezeigt.
»Okay, dann soll Sheila noch etwas zu essen…«
»Nein, nein, nein. Das kommt nicht in Frage.« Shao war energisch.
»Wir werden unterwegs etwas essen.«
Suko zwinkerte mir zu. »Bestell ihr trotzdem schöne Grüße von uns.«
»Mach ich doch glatt.«
Ich wußte nicht, was Sheila und Bill von mir wollten. Wie eine private Einladung hatte es sich nicht angehört, aber auch nicht wie eine dienstliche, denn bei diesen Anlässen klang die Stimme meines ältesten Freundes immer sehr energisch.
Wir hatten uns eigentlich recht lange nicht mehr gesehen. Vielleicht war Bill auch neugierig, wie es mir in der Zwischenzeit ergangen war. Ich hatte nicht eben fröhliche Tage hinter mir. Zuerst die Sache mit den Alpträumen, in denen mir mein Vater als Killer mit der Kettensäge erschienen war. Dazu die Bekanntschaft mit einer rätselhaften Frau, die Nora Thorn hieß und angeblich immer wieder von fremden Sternenvölkern entführt wurde, und danach noch der Horror um Jane Collins und Roxy Irons, ebenfalls eine Frau, die es schafft hatte, mit dem Höllenfeuer zu spielen.
Im Gegensatz zu Nora Thorn gab es sie nicht mehr. Darüber war ich mehr als froh.
Es ließ sich nichts wegdiskutieren, der Sommer war vorbei. Sehr langsam nur waren die warmen Tage dahingeschmolzen. Jetzt mußte man am Morgen und auch am Abend schon mit den ersten Nebelschwaden rechnen, die lautlos über das Land krochen und alles mit ihrem Grau umfingen. Auch dort, wo die Conollys wohnten, hatte sich der Dunst gebildet. Tagsüber hatte es geregnet, gegen Abend hatte der Regen aufgehört, aber die Straßen waren noch immer naß.
Ich fuhr den Wagen durch die ruhige Straße, schaute dem gelben Licht der Scheinwerfer nach, das bereits auf erste, am Boden liegende Blätter fiel, die vom starken Wind der beiden vergangenen Nächte gelöst worden waren.
Bill wußte, wann ich ungefähr eintraf, und das Tor zum Grundstück stand offen. Ich hatte es nicht eilig. Im Schrittempo lenkte ich den Rover über den gewundenen Zufahrtsweg, der sich durch den Vorgarten schlängelte. An zahlreichen Stellen zu beiden Seiten des Wegs verteilten sich Laternen, deren Licht über die Pflanzen strömte und auch den Lack meines Wagens anmalte.
Am Himmel spielten sich einige wilde Szenen ab. Da kämpfte der entschwindende Tage noch gegen die herankommende Nacht an, und Muster aus Grau und einem fahlen Weiß bildeten eine surrealistische Szenerie.
Wer die Conollys besuchte, konnte sein Fahrzeug vor der großen Garage abstellen, in der zwei, wenn nicht drei Autos ihren Platz fanden. Ich rangierte den Rover dorthin und geriet beim Aussteigen in den Lichtschein der beiden Seitenlampen.
Ich war bereits erwartet worden. Nicht von Sheila oder Bill, es war mein Patenkind Johnny, das mir entgegenkam.
»Hi…!« rief er und winkte.
Ich blieb stehen
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