1134 - Alissas Vater
es ist eine Tatsache, daß man ihn nicht mehr zu den Menschen zählen kann. Es muß an seiner Strafe liegen, die seine ehemaligen Brüder sich für ihn ausgesucht haben. Jedenfalls sah er schrecklich aus und hatte sich mit einer Sense bewaffnet. Er ist auch bereit, alle zu töten, die sich ihm in den Weg stellen. Mit mir hat er es versucht. Er wollte den Anfang machen. Ich habe Glück gehabt, daß er mich nicht erwischte. Er hat sich in der Vergangenheit zu einem gefährlichen Monster entwickelt, und sein Ziel ist nach wie vor klar. Er will seine Tochter haben. Er will Alissa endlich zu sich holen.«
»Gott!« stöhnte Franca und schlug die Hände vors Gesicht. Sie schüttelte auch den Kopf, und wir hörten ihr schweres Atmen. »Das kann doch nicht wahr sein! Ich will einfach nicht glauben, daß es so gelaufen ist.« Sie ließ die Hände wieder sinken. »Was sagt denn Alissa dazu?«
»Ich glaube nicht, daß sie es weiß.«
»Wie?«
»Daß Aslan ihr Vater ist. Für sie war er ein Monstrum, das sie schon in Rom beobachtet hat und dabei auch in ihre Nähe kam. Deshalb hat sie sich ja zu Father Ignatius geflüchtet, und er brachte sie nach London in Sicherheit, wie er dachte. Daß dies nicht mehr zutrifft, wissen wir alle. Auch Aslan hat den Weg nach London gefunden, und Alissa wird wieder in Todesangst leben. Deshalb ist es für uns wichtig, ihn so schnell wie möglich zu finden.«
Zwischen uns sitzend schüttelte das »Ohr« den Kopf. »Meine Güte, das sind ja Dimensionen, an die ich nie gedacht habe. Das ist eine irre Geschichte.«
»Über die du schweigen wirst!« erklärte ihm Bill.
»Ja, ja…«
Franca fragte mich direkt: »Wo befindet sich Alissa jetzt? Sie muß doch vor Angst vergehen.«
»Das weiß ich nicht genau. Jedenfalls haben wir sie in Sicherheit gebracht.«
Die Frau mit den blond gefärbten Haaren lachte. »Gibt es für meine Tochter überhaupt eine Sicherheit?«
»Ich denke schon«, sagte ich. »Oder hoffe es. Sie befindet sich bei einem Kollegen und Freund.«
Franca schaute mich etwas länger an und schüttelte dabei den Kopf. »Können Sie verstehen, daß ich trotz allem nicht beruhigt bin?«
»Das kann ich.«
»Er hat alles versucht. Aslan hat lange gewartet. Sicher nicht grundlos. Jetzt hat er sie gefunden, und ich weiß, daß er sie nicht mehr loslassen wird. Ich kann mir keinen Grund denken, warum er sich zu einem Monstrum verändert hat, aber die Vaterliebe ist in ihm nicht erloschen. So sehe ich das.«
Ich legte meine Hand auf ihre und spürte, wie sehr ihre Finger zitterten. »Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, Franca. Wir werden Aslan finden.«
»Das sagen Sie so leicht.«
Ich räusperte mich. »Eine andere Frage. Möchten Sie mit Ihrer Tochter sprechen?«
Fast wäre sie aufgesprungen. Sie war schon halb hochgekommen, als sie wieder zurück auf den Sitz sank. »Was haben Sie da gesagt, Mr. Sinclair? Ich soll mit meiner Tochter sprechen? Sie… Sie… wollen dafür sorgen, daß ich es kann?«
»Das hatte ich mir vorgestellt.«
»Aber ich…«
»Sie müßten mir allerdings einen Gefallen tun. Geben Sie sich ihr nicht zu erkennen. Versuchen Sie, mit irgendwelchen Ausreden zurechtzukommen. Aber Sie werden sich bestimmt freuen, einmal die Stimme Ihrer Tochter zu hören.«
»Ja, das glaube ich.« Franca lächelte plötzlich. »Sie haben Alissa als eine sehr hübsche Person beschrieben.«
»Das ist sie in der Tat.«
»Es freut mich.« Tief atmete sie ein. Sie schaute sich um und sah auch ihren Mann, der alle Hände voll zu tun hatte, denn es waren mittlerweile noch einige Gäste hinzugekommen. Auch der Geräuschpegel hatte sich gesteigert, und Franca verzog das Gesicht. »Ich glaube nicht, daß es gut ist, wenn ich hier mit ihr rede. Ich würde zu sehr abgelenkt werden. Hier hinten ist es zwar ruhiger, aber…«
»Wir können an einen anderen Ort gehen.«
»Am besten oben in unserer Wohnung.«
»Ich komme mit!« sagte Bill.
Wenig später wunderte sich Rudy, als wir durch eine schmale Tür an der Seite der Theke verschwanden. Er kam uns nach und holte uns vor der Treppe in einem schwach beleuchteten Flur ein, der noch als Lager diente, denn es standen einige Kartons und Kisten an der Wand. »He, wo wollt ihr denn hin?«
»Ich möchte den Herren etwas zeigen.«
Rudy lachte. »Seit wann redest du so vornehm?«
»Bitte…«
Ich machte kurzen Prozeß und zeigte dem Wirt meinen Ausweis. Rudy schüttelte sich, er wollte sich an seine Frau wenden, aber ich kam ihm
Weitere Kostenlose Bücher